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Der Kuss des Greifen

Der Kuss des Greifen

Titel: Der Kuss des Greifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Morgan
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schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht.« Lysandra sprach mit tieferer Stimme weiter. »Schließlich bin ich selbst einer.«
    Cel strich sich eine silberblonde Strähne aus dem Gesicht. »Vor der Vormacht eines herrischen und gemeinen Mannes? Haben eure Frauen denn nicht dieselben Rechte wie eure Männer?«, fragte er.
    Von Unglauben erfüllt starrte sie ihn an. »Dieselben Rechte? Keineswegs. Frauen dürfen nicht mal die Haustür öffnen, sich nicht sehen lassen, wenn männlicher Besuch kommt, und schon gar nicht mit einem Mann sprechen, sonst gelten sie als unzüchtig und werden geächtet und verstoßen.«
    Er starrte sie vollkommen perplex an. »Nicht mal die Haustür dürfen sie öffnen?«
    »Sagte ich doch. Ich weiß nicht mal, wie meine eigene Ziehschwester aussieht, weil sie ständig im Frauentrakt versteckt gehalten wird.« Lysandra wurde ungeduldig.
    Er schüttelte sichtlich ungläubig das Haupt. »Das verstehe ich nicht. Bei meinem Volk ist das anders. Alle Aufgaben, sowie Rechte und Pflichten werden geteilt. Keineswegs hat eine Frau weniger zu sagen als ein Mann.«
    »Du meinst das ernst?«
    »Natürlich. Es ist die Wahrheit!«
    Lysandra wusste nichts darauf zu erwidern. Alles deutete darauf hin, dass die sogenannten primitiven Barbaren, auf die stets herabgeschaut wurde, zumindest in dieser Hinsicht fortschrittlicher waren als ihr eigenes Volk! Die hellenischen Männer würden dies natürlich anders sehen, vermutlich wieder als Beweis der Barbarei der Keltoi, doch für sie klangen seine Worte wie eine Verheißung. Dieser Mann war für sie trotz oder gerade wegen seiner Herkunft die personifizierte Versuchung.
    Dennoch hatte sie viele Gründe, um die Keltoi zu fürchten und zu hassen, nicht zuletzt seit Leonidas’ Tod. Keineswegs konnte man ihnen trauen.
    »Wo ist das Ungeheuer jetzt?«, fragte sie.
    »Es ist weg. Das ist alles, was du im Moment zu wissen brauchst.«
    Der Mann liebte also Geheimnisse. Sie hob eine Augenbraue. »Also besteht keine Gefahr, dass ich sein Abendessen werde? Wie bedauerlich. So komme ich doch noch um meinen Heldentod.«
    Cel lachte, was ihn noch anziehender wirken ließ. »Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, doch er wird dir nichts tun, solange du ihn in Ruhe lässt«, sagte er.
    »Aber ich muss ihn töten, sonst ist meine Ehre zerstört.« Bald wäre ihr Versagen das Stadtgespräch – monatelang, dafür würde ihre Ziehmutter sorgen, unter dem Vorwand, es gut mit ihr zu meinen und ihr solche Narreteien für die Zukunft auszutreiben. Alle würden sie auslachen, von den hämischen Sprüchen ihres jüngeren Ziehbruders Damasos ganz zu schweigen.
    »Würde es denn nicht genügen, wenn der Greif verjagt werden würde, oder musst du ihnen unbedingt seinen Kopf bringen?«, fragte Cel.
    Worauf wollte er hinaus? Lysandra entsann sich des Textes, mit dem der Lohn für das Drachentöten ausgeschrieben worden war. Nur durch die Beziehungen zu einigen Kriegern, die noch ihren Ziehgroßvater Leonidas gekannt hatten, hatte sie dadurch erfahren. Offenbar wollte die Regierung die Anwesenheit des Ungeheuers möglichst geheim halten – was in der letzten Zeit zunehmend schwieriger geworden war. Immer mehr Leute glaubten, einen Drachen auf dem Parnassós erblickt zu haben. Offenbar hatten diese sich nicht nahe genug herangetraut. Wenn sie jedoch den Kopf eines Greifen brachte, war es fragwürdig, ob sie den Lohn erhalten würde.
    »Es würde reichen, wenn er verschwindet«, sagte Lysandra.
    »Wenn du mir bei meiner Aufgabe hilfst, werde ich dafür sorgen, dass er hier nie wieder gesichtet wird.«
    »Wie willst du das erreichen?«, fragte sie. »Und wobei soll ich dir helfen?«
    »Du musst mir helfen, mich von einem ...« Die weiße Katze sprang ihn plötzlich an und unterbrach damit seinen Redefluss. Beinahe schuldbewusst blickte er das Tier an, als er es zu Boden gleiten ließ. »Nun, du kennst dich im Land der Hellenen besser aus als ich. Man misstraut den Fremden. Ich möchte unter anderem euer bekanntes Orakel befragen.«
    »Das Orakel? Das hat eine sehr lange Warteliste. Momentan soll sie besonders voll sein, habe ich gehört. Barb... äh Metöken und andere Fremde werden nicht gerade bevorzugt.« Das war untertrieben ausgedrückt. Barbaren kamen als allerletzte dran.
    »Wie lange muss ich warten?«
    »Viele Monate, womöglich mehr als ein Jahr.«
    »So viel Zeit habe ich nicht.«
    »Nun, dann wirst du dich an einen anderen mántis , einen Seher, wenden müssen. Es gibt ja

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