Der Kuss des Jägers
Louvre?« Wenn sie jedes
überprüfen mussten, um der Sache auf den Grund zu gehen, blieb ihnen wohl
nichts anderes übrig.
» 35.000 , und in den Archiven liegt noch
einmal das Zehnfache.«
» 350.000 ?« Sophies Mut sank. Selbst mit
Fleiß und gutem Willen war es unmöglich, sich mal eben heimlich nachts durch
eine solche Masse zu arbeiten. Ebenso gut hätte sie einen der Mitarbeiter
fragen können, ob sich unter den Schätzen des Museums zufällig auch der
Schlüssel zur Hölle befand.
»Es handelt sich nicht um die Hölle,
sondern das Gefängnis der Wächter. Für die Eingesperrten mag es kein großer
Unterschied sein, aber wir müssen präzise bleiben, wenn wir etwas finden
wollen. Ich werde mich umhören. Vielleicht weiß jemand mehr als ich.«
»Du willst andere Engel fragen?«, staunte sie, doch er war ganz
plötzlich verschwunden. Im Flur klackte eine Türklinke, dann knarrte das
Parkett. Madame Guimard auf ihrem morgendlichen Weg ins Bad.
Wow, für L’Occultisme ist das ja eine ewig lange Schlange, dachte Sophie beim
Anblick der beiden Kunden, die vor der Kasse warteten.
Alex quittierte gerade einem Paketboten den Erhalt eines Stapels
Kartons und bekam einen annähernd panischen Gesichtsausdruck, als er sie
bemerkte. »Ich muss nur schnell …« Nervös gestikulierte er in Richtung der
Kasse.
»Ja, natürlich. Ich kann warten«, versicherte sie ihm rasch, damit
er sich wieder beruhigte. Glaubte er, sie hätte kein Verständnis dafür, dass
echte Kundschaft vorging? Zum Schein blätterte sie in den Büchern über das
»andere«, das okkulte Paris, die auf einem Tisch neben der Theke auslagen. Ihre
Schultern schmerzten vom schweren Tragen, denn sie hatte den Vormittag damit
verbracht, mit Madame Guimard und deren Nichte Sandrine die Regale und Vitrinen
wieder im Laden aufzubauen. Was die weitere Gestaltung betraf, hatte sie nun
freie Hand, obwohl Sandrine von der Idee wenig begeistert zu sein schien. Sie
konnte die Gefühle der Frau verstehen. Schließlich war sie für sie eine Fremde,
während Madame Guimard nicht müde wurde zu betonen, dass sie in dieser Aufgabe
eine wunderbare Ablenkung von den schrecklichen Ereignissen der letzten Zeit
sah. Vielleicht fühlte sich die alte Dame sogar ein wenig schuldig, weil Sophie
ausgerechnet in ihrer Stadt so etwas geschehen war.
Nach dem Mittagessen war Sophie bald wieder die Decke auf den Kopf
gefallen. Sie hatte keine Lust mehr gehabt herumzusitzen, sich um Jean zu
sorgen und darauf zu warten, ob Gournay oder Kafziel einen nächsten Zug
machten. Womöglich hatte sich Jean wieder bei Alex gemeldet, daher hatte sie
sich entschlossen, zuerst in die Buchhandlung zu gehen.
Der zweite Kunde bezahlte und packte seine Bücher ein. Sichtlich
ungeduldig sah Alex ihm zu, bis der Mann den Laden verlassen hatte. Sophie
vergewisserte sich mit einem raschen Blick durch die Regale, dass ihnen niemand
mehr lauschen konnte, und merkte, dass Alex dasselbe tat. »Hast du heute schon
von Jean gehört?«, erkundigte sie sich hastig. Jeden Moment konnte
hereinkommen, wer auch immer sie heute observierte.
»Naain.«
Was hatte diese gedehnte Antwort nun wieder zu bedeuten? Oh! »Ich weiß, dass er draußen ist. Er war gestern bei
mir.«
Alex griff sich an den Kopf. »Also doch. Dieser Irre! Ich hab ihn
bekniet, es bleiben zu lassen.«
Er mochte recht haben, trotzdem fühlte sie einen Stich. Es hatte ihr
viel bedeutet, Jean zu sehen. Wenn er nun auf seinen Freund gehört hätte …
»Scheint ja noch mal gut gegangen zu sein. Jedenfalls habe ich nichts davon
mitbekommen, dass sie ihn erwischt hätten.«
»Wollen wir’s hoffen«, brummte Alex, bevor sich ein drückendes
Schweigen ausbreitete.
Ich sollte gehen, solange es noch nach einem
gewöhnlichen Gespräch zwischen Verkäufer und Kunde aussieht. »Na ja,
dann … Oh, jetzt hätte ich’s fast vergessen! Es gibt eine neue Spur, was den
Schlüssel angeht. Wahrscheinlich wird er im Louvre aufbewahrt.«
Er sah sie ebenso verblüfft an wie Jean und Rafe zuvor. »Dann ist es
also doch ein Gegenstand? Keine magische Formel?«
»Äh, ich weiß nicht. Theoretisch könnte es wohl immer noch eine
sein, wenn sie in irgendeinem Buch oder einer Schriftrolle oder so etwas steht,
die zur Sammlung gehört.« Der Gedanke war ihr noch nicht gekommen, aber warum
nicht? Ausschließen konnten sie vorerst nichts.
»Puh, der Louvre.« Alex kratzte sich an der Schläfe. »Für unsereins
natürlich gesichert wie Fort Knox, aber weshalb sollte
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