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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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sie sich an seine Anweisungen gehalten und das Handy zu Hause
gelassen, damit die Polizei nicht nachvollziehen konnte, wo sie sich wie lange
aufhielt, sobald sie aus dem Blickfeld ihrer Verfolger verschwand. Wie er
Letzteres bewerkstelligen wollte, konnte sie sich nicht vorstellen, aber
offenbar hatte er einen Plan. Warum es ausgerechnet dieses Lokal sein musste,
wusste auch nur er, aber sie war brav durch das Marais-Viertel flaniert wie
eine gewöhnliche Touristin und hatte die Speisekarten mehrerer Restaurants
studiert, bevor sie sich vermeintlich spontan für das La
Martinique entschieden hatte. Um die Illusion perfekt zu machen, war sie
sogar über seine Anweisungen hinausgegangen, indem sie unter den schattigen
Arkaden eine Runde um den Place des Vosges gedreht hatte und in den riesigen
durchsichtigen Röhren des Centre Pompidou mit der Rolltreppe bis zur Galerie
auf dem Dach gefahren war, die eine schöne Aussicht auf die Stadt bot. Im
Erdgeschoss war sie durch den Designershop geschlendert, der seltsam gestaltete
Alltagsgegenstände zu horrenden Preisen anbot, aber sie hatte es nicht über
sich gebracht, etwas zu kaufen, nur damit ihr Ausflug harmlos wirkte.
    Wie realistisch war es, dass sich eine junge Frau allein zum
Abendessen in ein Restaurant setzte? In diesem Lokal war sie jedenfalls die
Einzige. Wenn Lara endlich hier wäre … Doch dann
würde sie mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben. Sie wusste noch immer
nicht, wie sie ihrer Freundin die Sache mit Rafe erklären sollte. Konnte sie
ihn vor ihr geheim halten, indem sie sich darauf hinausredete, dass der ominöse
Raphael auf der Flucht und deshalb untergetaucht war?
    Zukunftsmusik! Besser, sie konzentrierte
sich darauf, heute Abend nichts falsch zu machen. Sosehr sie die Pizza mochte,
ihr nervöser Magen signalisierte mit leichter Übelkeit, dass sie den Rest
besser auf dem Teller ließ. Sie nahm einen Schluck Rotwein und behielt das Glas
unschlüssig in der Hand. Wenn sie nichts mehr essen wollte, wurde es Zeit, den
nächsten Schritt zu wagen. Bei dem Gedanken nippte sie gleich noch einmal, doch
dann stellte sie das Glas ab und stand auf, um die gewundene Treppe neben dem
Tresen hinunterzugehen, über der ein Schild samt Pfeil darauf hinwies, dass
sich die Toiletten im Keller befanden.
    Der Gang am Fuß der Stufen war dunkel gestrichen, wodurch er noch
enger wirkte. Die schwache Glühbirne hinter schmuddeligem Lampenglas war kaum
geeignet, diesen Eindruck zu ändern. In beiden Richtungen zweigten mehr Türen
von dem Gang ab, als Sophie bei seiner Kürze angemessen erschienen. Der Pfeil
mit dem Piktogramm-Pärchen, das für die Toiletten stand, schickte sie nach
rechts, wo auf der ersten Tür zur Linken dasselbe Symbol prangte. Mit
klopfendem Herzen davorzustehen und zu zögern, kam Sophie surreal vor, doch
hier fiel die Entscheidung. Wenn sie jetzt der Mut verließ und sie wieder nach
oben ging, gab es kein Zurück mehr, denn es wäre kaum glaubwürdig, dass sie
bald wieder zur Toilette musste. Trat sie jedoch ein und traf sich mit Jean,
würde die Polizei vielleicht doch seine Spur aufnehmen. Auf jeden Fall würden
sie ihr ein paar unangenehme Fragen stellen und ihr mehr denn je misstrauen.
    Als sich die Tür öffnete und eine adrett gekleidete Dame herauskam,
schreckte sie auf. Steh nicht dämlich vorm Klo! Verlegen lächelnd nahm sie der Frau die freundlich aufgehaltene Tür ab und ging
hinein, was aufgrund der Enge nicht einfach war. Der Raum war kaum groß genug,
um die Tür zu öffnen. Zur Rechten ging es weiter in die Damentoilette,
geradeaus zu den Herren. Sophie musste sich wie eine Bauchtänzerin um die Tür
winden, um sie hinter sich schließen zu können, doch nur so kam eine weitere
Tür zur Linken zum Vorschein. Nichts deutete darauf hin, was sich dahinter
befand. Für gewöhnlich hätte sie angenommen, dass es eine Abstellkammer für die
Utensilien der Putzfrau war, und tatsächlich fand sie Eimer, Schrubber und eine
Sammlung bunter Plastikflaschen. Doch jenseits davon wartete eine weitere Tür –
genau wie Jeans Notizen es beschrieben hatten.
    Sie suchte nach dem Lichtschalter, knipste die Lampe an und machte
rasch hinter sich zu, bevor sie womöglich ein anderer Gast oder das Personal
erwischte.
    Auch hier war es so eng, dass nur schlanke, bewegliche Menschen eine
Chance hatten weiterzukommen, denn die Tür schwang Sophie entgegen, anstatt
sich in den nächsten Raum hinein zu öffnen. Doch zumindest hatte jemand

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