Der Kuss des Jägers
ein Dämon
Schwierigkeiten haben, sich dort etwas zu holen?«
Auch wieder wahr. »Es muss noch andere
Sicherheitsmechanismen geben, aber die Frage für uns ist doch, wie wir
überhaupt herausfinden sollen, welches der abertausend Stücke der Schlüssel
ist. Wir wissen ja nicht einmal, was dort alles in den Archiven liegt.«
»Mhm«, machte er nickend. »Ob die einen zentralen Datenspeicher
haben, in dem die komplette Sammlung gelistet ist?« Sein Blick schweifte ins
Leere. »Ich werd mich mal umhören.«
Wollte er sich in die Computer des Museums hacken? Das würde sie
vielleicht einen Schritt weiter bringen, aber jetzt musste sie gehen, bevor es
zu auffällig wurde. Vor dem Fenster schlenderte ein junger Mann vorbei, der
einen kleinen weißen Terrier ausführte. Hatte sie ihn nicht auf dem Weg hierher
schon einmal gesehen?
»Also vielen Dank!«, rief sie und ging rasch zur Tür. »Au revoir,
Monsieur!«
Alex’ Abschiedsgruß ging im Geräusch eines vorbeibrausenden
Motorrads unter. Ideenlos, was sie stattdessen tun sollte, schlug sie den Weg
zum Internetcafé ein und verkniff sich, sich nach dem Typ mit dem Hund
umzusehen. Immer schön unschuldig und unbedarft wirken … Was gar nicht so einfach war, wenn man die Röte der Aufregung auf den eigenen
Wangen fühlen konnte. Sie versuchte, sich das Gefühl, ertappt worden zu sein,
von der Seele zu laufen, indem sie flott ausschritt. Im Grunde waren sie alle
ein gutes Team, oder nicht? Sie hatte die Information beschafft – auch wenn sie
es nicht geplant hatte –, und nun konnte jeder auf seine Art dazu beitragen,
das Rätsel zu lösen. Vielleicht fiel ihr sogar etwas auf, wenn sie nach den
Stichwörtern »Schlüssel« und »Louvre« googelte. Unwahrscheinlich, aber da sie
nun schon einmal hier war …
Zwei Stunden, einen Milchkaffee und eine Frust-Waffel später gab sie
auf. Ihre Augen schmerzten vom Starren auf den Bildschirm, und die Texte
verschwammen allmählich zu Buchstabenbrei. Sie hatte nichts gefunden, das auch
nur annähernd in die richtige Richtung deutete. Nicht einmal spannende E-Mails
waren in ihrem Postfach eingetroffen, doch das hatte sie erwartet, da sie seit
dem Krankenhaus keine Bewerbungen mehr geschrieben hatte.
Erschöpft verließ sie das Café und trottete den Boulevard
Saint-Michel entlang. Sie hatte wenig Lust, nach Hause zu gehen, doch die
Aussicht, allein zwischen den vielen Touristen herumzulaufen, die entweder der
Seine und Notre-Dame oder dem Jardin du Luxembourg zustrebten, gefiel ihr noch
weniger. Hoffentlich schafft es Lara, am Wochenende wirklich
herzukommen, wünschte sie und blieb mit dem Rest des Menschenstroms an
einer roten Ampel stehen.
Als sie sich bei Grün mechanisch wieder in Bewegung setzte, stieß im
Gedränge jemand von hinten gegen ihre Schulter und eilte weiter, ohne sich
umzusehen. Sophie starrte der großen, schlanken Gestalt in schwarzem T -Shirt und Shorts nach. Jean? Sie konnte den verräterischen Ruf gerade noch runterschlucken. Täuschte sie
sich auch nicht? Dem dunklen Haar nach hätte es irgendein Fremder sein können,
der mit eiligen Schritten vor ihr in der Menge verschwand, aber trotz oder
gerade wegen der Sonnenbrille war sie sicher, dass er es gewesen war. Warum
hatte er sie angerempelt? Weder das noch dass sie sich überhaupt begegnet
waren, konnte ein Zufall sein. Hatte er etwa …
Der restliche Heimweg konnte ihr nicht mehr schnell genug gehen. Sie
musste sich zwingen, langsamer zu laufen und nicht in ihre Tasche zu sehen.
Falls der Polizist in ihrem Kielwasser den Zusammenstoß beobachtet hatte, hegte
er vielleicht schon einen Verdacht. Erst als sie die Haustür erreichte, gönnte
sie sich den Blick in die Tasche und tat, als müsse sie nach ihrem Schlüssel
kramen. Tatsächlich! Ein zusammengefalteter Zettel. Das Herz schlug ihr bis zum
Hals.
Der Pizzaboden war etwas zäh, doch der ungewöhnliche,
angeblich nach afrikanischer Art gewürzte Belag mit gegrillten Hähnchenstücken
und Okraschoten schmeckte lecker. Angesichts der farbigen Kellner fiel es
leicht zu glauben, dass ihn tatsächlich ein afrikanischer Koch kreiert hatte.
Sie wünschte nur, sie hätte sich nicht so beobachtet gefühlt. Beim Essen von
Fremden beobachtet zu werden, hatte sie noch nie leiden können, aber die B. C. beeindruckte das sicher herzlich wenig. Und das, wo
sie ohnehin schon so nervös war. Vor Aufregung rebellierte auch noch ihr Magen.
Hoffentlich hat sich Jean das alles gut überlegt. Sorgfältig hatte
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