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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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die
Gerätschaften so angeordnet, dass man beim Hindurchgehen nicht auch noch alles
umwarf. Offenbar wurde der verborgene Durchgang öfter benutzt, als sie zunächst
vermutet hatte. Wo man ein weiteres Zimmer erwartete, prallte der Blick
förmlich gegen eine schmale, gemauerte Wendeltreppe. Von der Schwelle ging es
direkt auf die erste Stufe.
    Sophie zögerte. Sollte sie das Licht ausmachen und die Tür hinter
sich schließen? Doch an der Treppe waren weder ein Schalter noch eine Lampe zu
sehen. Sie würde im Stockfinsteren hinaufsteigen müssen. Draußen wurde eine Tür
aufgerissen. Mist! Hastig löschte sie das Licht und
fand sich in völliger Schwärze wieder. Na toll. Hätte
Jean ihr nicht auch noch aufschreiben können, dass sie eine Taschenlampe
brauchte? Nicht einmal das Handy hatte sie, dessen Display ihr nachts schon
öfter als Lichtquelle gedient hatte.
    Vorsichtig streckte sie die Hände nach der Wand auf der einen und
dem gewundenen Mittelpunkt der Treppe auf der anderen Seite aus und tastete
sich mit den Füßen von Stufe zu Stufe. Von oben drang gedämpft der Lärm des
Gastraums herab, der mit jedem Schritt lauter wurde, bis sie einen
Treppenabsatz erreichte. Ihre Finger ertasteten eine Tür, die jedoch so dicht
war, dass nur ein schwacher Schimmer durch die Ritzen drang. Dem Geräusch nach
zu urteilen, musste sie sich direkt hinter der Wand befinden, vor der sie
gesessen und gegessen hatte. Ganz sicher wollte Jean nicht, dass sie diese Tür
nahm. Mit Händen und Füßen die Dunkelheit erkundend, schob sie sich weiter, bis
sie wieder auf eine Stufe stieß. Die Treppe war so eng, dass sie die Wand mit
der Schulter streifte, obwohl sie sich in der Mitte hielt.
    Plötzlich geisterte ihr von oben ein Lichtschein entgegen.
    »Sophie?«
    »Ja«, gab sie leise zurück.
    »Komm rauf!«
    Dank der Taschenlampe, mit der Jean ihr leuchtete, kam sie nun
schneller voran. Er stand in einer offenen Tür, die allerdings nicht Richtung
Gastraum, sondern eher Richtung Nachbarhaus wies.
    »Tut mir leid. Ich wollte dich eigentlich abholen, aber du warst so
leise, dass ich dich nicht gehört habe. Nicht, dass das schlecht wäre!«, fügte
er rasch hinzu und gab ihr den Weg in eine fensterlose Kammer frei, deren
vergilbte Tapete dem Zimmer eine noch trostlosere Stimmung verlieh. Ein Stuhl,
über dem allerhand Kleidung hing, und zwei Matratzen auf dem Fußboden waren die
einzige Einrichtung. Kopfkissen, Laken und abgestandener Schweißgeruch deuteten
darauf hin, dass hier jemand hauste.
    »Du kannst schon weitergehen. Das übernächste Zimmer ist es. Ich
muss nur schnell unten wieder abschließen – falls neugierige Flics
herumschnüffeln.«
    Bevor sie etwas erwidern konnte, war er bereits verschwunden. Durch
die Tür in den Raum nebenan fiel Licht, sodass sie nicht im Dunkeln
zurückblieb. Sie ging hinüber, nur um dort ein ähnliches Bild vorzufinden. Der
einzige Unterschied bestand darin, dass es hier anstelle der Treppe einen
Wandschrank gab und eine der Matratzen unbenutzt schien. Das Licht kam jedoch
aus der dritten, beinahe identischen Kammer. Sie enthielt nur eine Matratze und
nicht einmal einen Stuhl, dafür gab es eine geschlossene Tür, die entweder zu
einer weiteren Treppe oder einem Zimmer führen mochte, aber auf jeden Fall wies
die Ausrichtung zu der ruhigeren Straße, an die das Haus mit einer Seite
grenzte. Die Shorts, die Jean am Nachmittag getragen hatte, lagen nebst einigen
Zetteln und einem Bleistift auf dem Boden, und in einer Ecke erkannte sie
seinen Rucksack wieder. Benutztes Geschirr deutete darauf hin, dass er
ebenfalls ein Abendessen aus dem La Martinique bekommen hatte. Eine halbleere Flasche Wasser und eine angebrochene Packung
Kekse standen neben der Matratze. Mehr schien er im Augenblick nicht zu
besitzen. Sophies schlechtes Gewissen wuchs mit jeder Sekunde, die sie auf
diese kläglichen Habseligkeiten starrte.
    »Tja, nicht schön, aber vorläufig sicher«, sagte er, als er
zurückkam und die Tür hinter sich zuzog.
    Sofort kam ihr der Raum noch enger, stickiger und würdeloser vor.
Jean mochte aus dem Gefängnis entkommen sein, aber war das hier wirklich so
viel besser? »Es … tut mir so leid! Das ist alles meine Schuld …«
    Mit gerunzelter Stirn winkte er ab. »Ist es nicht. Eher die dieses
Dämons.«
    »Auf den ich reingefallen bin! Ich war so
blöd! Sieh doch, was ich dir eingebrockt habe! Du kannst nie wieder nach Hause,
die Polizei wird für immer hinter dir her sein …« Ich

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