Der Kuss des Killers
die Welt gekommen sind.«
»Ich bin mit beiden Händen auf die Welt gekommen.«
»Die linke, bitte.« Vorsichtig legte das Mädchen seine Finger unter Eves ausgestreckte Hand. »Stärke und Mut. Ihr Schicksal stand nicht von vornherein fest. Ich sehe ein Trauma, einen Bruch der Lebenslinie. Als Sie sehr jung, als Sie noch ein Kind waren. Welcher Schmerz, welche Traurigkeit.« Sie hob ihren Kopf und musterte Eve aus klaren, grauen Augen. »Sie hatten und Sie haben daran keine Schuld.«
Als Eve ihr instinktiv die Hand entziehen wollte, verstärkte sie ihren Griff. »Es ist nicht nötig, sich an alles zu erinnern, solange Sie dazu nicht bereit sind. Leid und Selbstzweifel, blockierte Gefühle. Eine auf sich gestellte Frau, die sich dafür entschieden hat, sich auf ein Ziel zu konzentrieren. Die ein großes Verlangen nach Gerechtigkeit verspürt. Diszipliniert, motiviert… gequält. Ihr Herz wurde gebrochen, nein mehr als das. Zerfleischt. Also haben Sie das, was von ihm übrig blieb, auf das Sorgsamste gehütet. Es ist eine starke Hand. Eine Hand, der man uneingeschränkt vertrauen kann.«
Sie umfasste auch Eves rechte Hand, sah jedoch statt auf die dort verlaufenden Linien in Eves Gesicht. »Sie tragen viel von dem, was geschehen ist, in Ihrem Innersten mit sich herum. Es lässt Ihnen keine Ruhe. Aber trotzdem haben Sie Ihren Platz im Leben gefunden. Die Autorität steht Ihnen ebenso zu Gesicht wie die Verantwortung, die mit dieser Position einhergeht. Sie sind stur, laufen häufig mit Scheuklappen durch die Gegend, aber Ihr Herz ist größtenteils geheilt. Sie lieben.«
Sie schaute zu Roarke, und als sie sich wieder Eve zuwandte, wurde ihre Miene weich. »Die Tiefe dieser Liebe überrascht Sie. Sie bringt Sie aus dem Konzept, und das ist etwas, was Ihnen nur sehr selten passiert.« Sie strich mit dem Daumen über den Rand von Eves Handfläche. »Sie öffnen Ihr Herz nur sehr langsam. Es ist sehr… wählerisch. Es ist vorsichtig, aber wenn Sie es einmal einem Menschen öffnen, dann ohne Vorbehalt. Sie sind Polizistin.« Sie verzog den Mund zu einem Lächeln. »Ja, Sie haben die richtige Wahl getroffen. Vielleicht die einzige Wahl, die Ihnen möglich war. Sie haben getötet. Mehr als einmal. Und obwohl es keine andere Möglichkeit für Sie gab, lastet dieses Wissen schwer auf Ihrem Verstand und Ihrem Herzen. Dabei fällt es Ihnen schwer, den Intellekt von der Emotion zu trennen. Trotzdem werden Sie erneut töten.«
Die grauen Augen wurden glasig und sie verstärkte nochmals ihren Griff. »Es ist dunkel. Hier herrschen dunkle Kräfte. Das Böse. Es wurde bereits gestorben und es wird weiter gestorben werden. Schmerz und Angst. Körper und Seele. Sie müssen sich und die Menschen, die Sie lieben, davor schützen.«
Sie wandte sich an Roarke, schnappte sich seine Hand und sprach eilig auf Gälisch auf ihn ein. Sein Gesicht war kreidebleich geworden und er atmete keuchend.
»Es reicht.« Erschüttert riss Eve ihre Hand zurück.
»Was für eine Show.« Wütend rieb sie sich die prickelnde Handfläche am Knie ihres Hosenbeines ab. »Sie haben ein gutes Auge, nicht wahr, Cassandra? Eine wirklich beeindruckende Masche.« Sie zog einen Fünfziger-Kreditchip aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch.
»Warten Sie.« Cassandra öffnete einen kleinen, bestickten, von ihrer Hüfte baumelnden Beutel und zog einen glatten, hellgrünen Stein daraus hervor. »Ein Geschenk. Ein Talisman.« Sie drückte ihn Eve in die Hand. »Tragen Sie ihn immer bei sich.«
»Warum?«
»Warum nicht? Bitte kommen Sie wieder. Seien Sie gesegnet. «
Eve erhaschte einen letzten Blick auf Cassandras plötzlich ebenfalls bleiches Gesicht, ehe die junge Frau hastig durch den klirrenden Perlenvorhang hindurch wieder in dem Hinterzimmer verschwand.
»Tja, so viel zu >Sie werden eine lange Reise machen<«, wisperte Eve und wandte sich zum Gehen. »Was hat sie zu dir gesagt?«
»Ihr Dialekt war ein bisschen schwer zu verstehen. Ich denke, dass sie aus einer der Grafschaften im Westen stammt. « Seltsam erleichtert sog er, als er vor die Tür trat, die kühle Nachtluft ein. »Tenor ihrer Rede war, dass ich, wenn ich dich so sehr liebe, wie sie glaubt, nicht mehr von deiner Seite weichen sollte. Dass du in Gefahr bist, dein Leben, vielleicht deine Seele zu verlieren und dass du mich zum Überleben brauchst.«
»Was für ein absoluter Schwachsinn.« Sie schielte auf den Stein in ihrer Hand.
»Behalt ihn.« Roarke schloss ihre Finger über dem
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