Der Kuss des Killers
worden.«
»Bei einem Unfall? Nein, Sie irren sich. Es war jemand anderes. Es war nicht meine Alice.« Sie klammerte sich an Eve und sah sie flehend an. »Sie können nicht sicher sein, dass es meine Alice war.«
»Doch. Es tut mir so Leid.«
Jetzt brach Brenda endgültig zusammen, vergrub das Gesicht zwischen den Händen und presste die Handrücken auf die Knie, sodass ihr ganzer Körper wie zum Schutz vor der grauenhaften Nachricht in sich zusammengerollt war.
»Ich könnte ihr einen Tee kochen«, murmelte Peabody.
»Ja, tun Sie das.« Dieser Teil ihrer Arbeit gab Eve regelmäßig das Gefühl, völlig hilflos und unzulänglich zu sein. Es gab einfach kein Mittel gegen die frische Trauer der Hinterbliebenen. »Gibt es jemanden, den ich für Sie anrufen kann? Soll ich vielleicht Ihre Mutter kontaktieren? Oder Ihren Bruder?«
»Marna. Oh Gott, Alice. Wie sollen wir das ertragen?«
Darauf gab es keine Antwort. Doch sie würden es ertragen müssen. Dies war eine der Anforderungen, die das Leben an die Menschen stellte. »Ich kann Ihnen ein Beruhigungsmittel geben oder Ihren Arzt anrufen, wenn Ihnen das lieber ist.«
»Mom?«
Während Brenda sich weiter elend in ihrem Sessel wiegte, wandte Eve den Kopf und erblickte einen halbwüchsigen Jungen, der schläfrig blinzelnd durch die Tür getreten war. Seine Haare waren zerzaust und er trug eine abgewetzte Jogginghose mit Löchern an den Knien.
Alices Bruder, dachte Eve. Ihn hatte sie völlig vergessen.
Dann entdeckte er Eve und plötzlich trat ein wachsamer, viel zu erwachsener Ausdruck in seine Augen. »Was ist los?«, wollte er wissen. »Was ist passiert?«
Wie zum Teufel war noch mal sein Name? Eve versuchte sich zu erinnern, kam dann aber zu dem Schluss, dass das momentan egal war, und so stand sie wortlos auf. Er war groß für sein Alter, mit einem vom Schlaf zerknitterten Gesicht und einem Körper, dessen Haltung ihr verriet, dass er inzwischen auf das Schlimmste gefasst war. »Es gab einen Unfall. Es tut mir Leid, aber – «
»Es geht um Alice.« Seine Lippen bebten, doch er sah ihr weiter starr ins Gesicht. »Sie ist tot.«
»Ja. Es tut mir Leid.«
Wie eine Salzsäule stand er da, als Peabody mit einer Tasse Tee aus der Küche zurückkam und sie unbeholfen auf den Tisch stellte. »Was für ein Unfall?«
»Sie wurde überfahren.«
»Ein Unfall mit Fahrerflucht?«
»Nein.« Eve betrachtete ihn nachdenklich. »Sie ist vor ein Taxi gelaufen. Der Fahrer konnte nicht mehr bremsen. Wir sind dabei, das Fahrzeug und den Unfallort zu untersuchen, aber es gibt eine Zeugin, die die Aussage des Taxifahrers bestätigt. Ich glaube nicht, dass ihn irgendeine Schuld an dem Unfall trifft. Er hat nicht versucht, vom Unfallort zu flüchten und hat sich, soweit wir wissen, bisher nie etwas zu Schulden kommen lassen.«
Der Junge nickte trockenen Auges, während das Schluchzen seiner Mutter bis in den letzten Winkel des Zimmers drang. »Ich werde mich um sie kümmern. Es wäre das Beste, wenn Sie uns jetzt alleine lassen würden.«
»In Ordnung. Falls Sie irgendwelche Fragen haben, können Sie mich auf dem Revier erreichen. Ich bin Lieutenant Dallas.«
»Ich weiß, wer Sie sind. Lassen Sie uns jetzt allein«, wiederholte er und setzte sich neben seine Mutter.
»Der Junge weiß etwas«, erklärte Eve, als sie zusammen mit Pea body vor die Tür trat.
»Das denke ich auch. Vielleicht war Alice ihm gegenüber offener als den übrigen Mitgliedern der Familie. Altersmäßig sind sie nicht weit auseinander. Brüder und Schwestern haben häufig Streit, aber gleichzeitig vertrauen sie einander beinahe alles an.«
»Das kann ich nicht beurteilen.« Erfüllt von dem Wunsch nach einer Tasse Kaffee ließ Eve den Motor ihres Wagens an. »Wo zum Teufel wohnen Sie überhaupt, Peabody?«
»Warum?«
»Weil ich Sie nach Hause bringen werde. Dann können Sie ein paar Stunden schlafen und morgen, naja, also heute früh treffen wir uns um elf auf dem Revier.«
»Und Sie selbst, werden Sie ebenfalls ein paar Stunden schlafen?«
»Ja.« Das war wahrscheinlich gelogen, doch verfolgte sie mit dieser Lüge ein ehrenwertes Ziel. »Also, wie muss ich jetzt fahren?«
»Richtung Houston Street.«
Eve verkniff sich ein Seufzen. »Tja, wenn es schon ein Umweg sein muss, dann ruhig ein richtig langer.« Sie lenkte den Wagen Richtung Süden. »Houston? Peabody, Sie Bohémien.«
»Die Wohnung hat meiner Cousine gehört und als sie beschloss, nach Colorado zu ziehen, um dort Teppiche zu weben,
Weitere Kostenlose Bücher