Der Kuss des Killers
»Ich kümmere mich um ihn. «
»Wie Sie wünschen.« Summerset bedachte Jamie mit einem letzten besonders giftigen Blick und verließ steifbeinig den Raum.
»Wo haben Sie denn den Langeweiler her?«, fragte Jamie und warf sich in einen Sessel. »Aus dem Leichenschauhaus?«
Roarke nahm auf der Sofalehne Platz und griff nach einer Zigarette. »Zwerge wie dich verspeist Summerset zum Frühstück«, erklärte er mit ruhiger Stimme und zündete sich seine Zigarette an. »Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
»Na klar.« Trotzdem warf Jamie einen vorsichtigen Blick in Richtung Tür. Nichts in diesem Haus war wie erwartet, also würde er auch besser den Butler nicht unterschätzen. »Apropos Frühstück, gibt es hier in Ihrer Hütte zufällig was zu essen? Es ist Stunden her, seit ich zum letzten Mal was zwischen die Zähne bekommen habe.«
Roarke blies nachdenklich den Rauch zwischen den Lippen aus. »Dann soll ich dich jetzt also auch noch verpflegen?«
»Tja, wissen Sie, sicher hängen wir sowieso noch eine Zeit lang hier herum. Da können wir ebenso gut was essen.«
Er war wirklich ein dreister kleiner Bursche, dachte Roarke nicht ohne Bewunderung. Nur ein junger Mensch in seinem Alter konnte nach dem, was er draußen auf der Straße gesehen hatte, ernsthaft Hunger haben. »Und was würde dir so vorschweben? Crepes, ein Omelett oder ein paar Schüsseln gezuckerter Cornflakes?«
»Ich hätte eher an Pizza oder einen Hamburger gedacht.« Er zauberte ein gewinnendes Lächeln aufsein Gesicht. »Meine Mom ist, was Ernährung betrifft, total fanatisch. Bei uns gibt es dauernd nur irgendwelches gesundes Öko-Zeug.«
»Es ist fünf Uhr morgens und du willst eine Pizza?«
»Pizza kann man zu jeder Zeit essen.«
»Da hast du möglicherweise Recht.« Eigentlich konnte er ebenfalls etwas gebrauchen. »Also, gehen wir.«
»Hier drinnen ist es wie in einem Museum«, meinte Jamie, während er hinter Roarke durch den mit leuchtenden Gemälden und schimmernden Antiquitäten bestückten großen Flur ging. »Das meine ich nicht als Kritik. Sie müssen geradezu in Kohle schwimmen.«
»Das muss ich wohl.«
»Die Leute sagen, Sie brauchen bloß was in die Hand zu nehmen und schon sprudelt das Geld nur so heraus.«
»Ach ja?«
»Ja, und außerdem heißt es, Sie hätten Ihr Geld nicht immer auf ehrliche Art und Weise verdient. Aber jetzt, wo Sie mit einem Cop wie Dallas verheiratet sind, ist es damit ja bestimmt vorbei.«
»Das sollte man meinen«, murmelte Roarke und trat durch eine Tür in eine riesengroße Küche.
»Wow. Wahnsinn. Haben Sie auch Leute, die so richtig für Sie kochen?«
»Manchmal.« Roarke beobachtete, wie der Junge herumlief, mit den Kontrollknöpfen des automatisierten Ofens spielte und in den enormen Kühlschrank sah. »Aber heute Morgen wird das nicht passieren.« Er trat vor einen großen AutoChef. »Also, was willst du haben, Pizza oder Hamburger?«
Jamie grinste fröhlich. »Vielleicht beides? Und dazu könnte ich mindestens vier Liter Pepsi vertragen.«
»Wir fangen erst mal mit einer normalen Menge an.« Roarke programmierte den AutoChef auf die gewünschten Dinge und trat vor den Kühlschrank. »Setz dich, Jamie.«
»Mit Eis.« Trotzdem ließ er Roarke nicht aus den Augen, als er auf die gepolsterte Bank in der Frühstücksecke sank.
Nach kurzem Überlegen bestellte Roarke zwei Tuben Pepsi und kehrte, nachdem sie durch den Schlitz gefallen waren, mit ihnen an den Tisch zurück. »Sicher wirst du deine Mutter kontaktieren wollen«, sagte er zu Jamie. »Nimm ruhig das Link hier in der Küche.«
»Nein.« Jamie wischte sich die Hände an der Hose ab. »Sie ist völlig fertig. Sie kommt nicht damit zurecht. Mit der Sache mit Alice. Sie ist mit Beruhigungsmitteln voll gepumpt. Wir – heute Abend findet die Totenwache statt. «
»Ich verstehe.« Und weil er tatsächlich verstand, ging Roarke nicht weiter auf das Thema ein, sondern reichte Jamie seine Pepsi, zog eine große Pizza, auf der der Käse Blasen warf, sowie einen Hamburger unter dem AutoChef hervor und stellte beides auf den Tisch.
»Super!« Mit dem Appetit der Jugend schnappte sich Jamie den Burger und biss herzhaft hinein. »Mann! Mann, das ist ja echtes Fleisch«, mummelte er mit vollem Mund. »Richtiges, echtes Fleisch.«
Nur unter größter Selbstbeherrschung verkniff sich Roarke ein Lächeln. »Wäre dir Soja lieber gewesen?«, fragte er den Jungen höflich. »Oder eventuell ein anderes Gemüse?«
»Ganz sicher nicht.«
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