Der Kuss des Killers
zu zementieren. Dabei erscheint ihnen der Okkultismus mit seiner Mystik und den Möglichkeiten, die er bietet, oft besonders attraktiv.«
»Sie ist in den Satanismus reingerutscht.«
»Als Amateur in?«
Eve runzelte die Stirn. Sie hatte erwartet, dass sich Mira überrascht oder gar missbilligend dazu äußern würde. Stattdessen nippte sie ungerührt lächelnd an ihrem dampfend heißen Tee. »Falls Sie damit meinen, sie hätte nur damit gespielt, muss ich das verneinen.«
»Wurde sie als ordentliches Mitglied in die Sekte aufgenommen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was das bedeutet.«
»Natürlich gibt es je nach Sekte leichte Unterschiede. Allgemein gesprochen handelt es sich darum, dass man nach einer gewissen Wartezeit einen Schwur leistet und ein sichtbares Zeichen am Körper, für gewöhnlich auf den oder in der Nähe der Genitalien, bekommt, bevor man im Rahmen einer feierlichen Zeremonie als Mitglied in die Sekte aufgenommen wird. Ein Mensch, wahrscheinlich eine Frau, wird auf einen Altar gebunden und während das zukünftige Mitglied auf dem Boden kniet, werden die Prinzen der Hölle angerufen. Zu den gängigen dabei verwandten Symbolen gehören Feuer, Rauch, das Läuten einer Glocke und Friedhofserde, vorzugsweise vom Grab eines Säuglings. Schließlich wird dem Bewerber ein Kelch mit Wasser oder Wein, vermischt mit Urin, gereicht und dann ritzt der Hohepriester oder die Hohepriesterin ihm mit einem geweihten Messer das Zeichen der Sekte in den Körper.«
»Mit einem Athame.«
»Ja.« Mira bedachte Eve, als wäre sie eine besonders gute Schülerin, mit einem breiten Lächeln. »Und obwohl es illegal ist, opfert der Hexensabbat anschließend, wenn möglich, eine junge Ziege. Bei einigen Sekten wird das Blut der Ziege mit Wein gemischt getrunken, bevor man mit dem Sex beginnt. Die Frau auf dem Altar wird von allen oder möglichst vielen Sektenmitgliedern benutzt. Das gilt als Pflicht und als Vergnügen.«
»Klingt, als ob Sie schon mal dabei gewesen wären.«
»Nicht aktiv, aber mir wurde einmal gestattet, eine solche Zeremonie zu beobachten. Es war wirklich faszinierend.«
»Sie glauben doch wohl nicht an diesen Unsinn.« Eve stellte ihre Tasse an die Seite. »Teufelsanbetung und all dieses schwachsinnige Zeug.«
Mira zog eine ihrer Brauen in die Höhe. »Ich glaube an Gut und Böse, Eve, und ich kann nicht mit Gewissheit leugnen, dass es irgendwo das absolut Gute und das absolut Böse wirklich gibt. Dazu haben wir in meinem wie in Ihrem Beruf zu oft mit beidem zu tun.«
Menschen bewirkten das Böse. Das Böse hatte eine menschliche Gestalt. »Aber Teufelsanbetung?«
»Diejenigen, die ihr Leben – und sagen wir, auch ihre Seele – diesem Glauben widmen, tun es im Allgemeinen seiner Freiheit, seiner Strukturiertheit und der dort gefeierten Selbstsucht wegen. Andere erliegen dem Versprechen von Macht und wieder andere der Aussicht auf ungehemmten Sex.«
»Es ging nur um Sex.« Das hatte Wineburg ihr schluchzend erklärt, bevor er gestorben war.
»Ihre junge Frau, Eve, fühlte sich wahrscheinlich zunächst aus rein intellektueller Neugier vom Satanismus angezogen. Wie die meisten heidnischen Religionen geht er auf die Zeit vor dem Christentum zurück. Weshalb hat er so lange überlebt und es in einigen Gegenden sogar zu neuer Blüte gebracht? Der Satanismus ist voller Geheimnisse, Sündigkeit und Sex, seine Rituale mysteriös und kompliziert. Sie stammte aus einer behüteten Umgebung, war in einem Alter, in dem sie reif war für eine Rebellion gegen den Status quo und hat sicher einfach etwas Neues, völlig anderes gesucht.«
»Die Zeremonie, die Sie beschrieben haben, ähnelt der, die mir auch von ihr beschrieben worden ist. Auch sie hatte sich das Ganze zunächst nur ansehen wollen, wurde dann jedoch sexuell missbraucht. Sie war noch Jungfrau und wurde, wie ich vermute, unter Drogen gesetzt.«
»Ich verstehe. Es gibt immer Sekten, die sich nicht an die Gesetze halten. Einige sind sogar gefährlich.«
»Sie hatte Filmrisse, konnte sich an bestimmte Dinge nicht mehr erinnern und wurde die ergebene Sklavin zweier Mitglieder der Sekte. Sie hat sich von ihrer Familie entfernt und ihr Studium aufgegeben. Bis sie Zeugin der rituellen Ermordung eines Kindes wurde.«
»Menschenopfer sind eine uralte und beklagenswerte Praxis.« Wieder nippte Mira vorsichtig an ihrem Tee. »Wenn Drogen im Spiel waren, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie abhängig gemacht wurde, abhängig von der Droge und von
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