Der Kuss des Killers
den Menschen, von denen sie sie bekam. Das würde die Filmrisse erklären. Ich nehme an, der Mord, dessen Zeugin sie wurde, hat sie derart schockiert, dass sie sich umgehend von der Sekte und ihren Ritualen abgewandt hat.«
»Sie war vollkommen panisch. Sie ist mit dieser Sache weder zu ihrer Familie noch zur Polizei gegangen, sondern zu einer Hexe.«
»Einer weißen Hexe?«
Eve presste die Lippen aufeinander. »Sie hat getan, was meiner Meinung nach als religiöse Kehrtwende bezeichnet werden müsste. Hat angefangen weiße statt schwarze Kerzen abzubrennen. Und die ganze Zeit über hatte sie Panik. Sie behauptete allen Ernstes, dass sich eins der Mitglieder der Sekte in einen Raben verwandeln kann.«
»Gestaltsveränderung.« Nachdenklich erhob sich Mira aus ihrem Sessel und bestellte frischen Tee. »Interessant.«
»Sie dachte, sie würden sie umbringen und hätten bereits einen ihr nahe stehenden Menschen umgebracht, obwohl er bisher offiziell eines natürlichen Todes gestorben ist. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie sie gequält, dass sie einen Weg gefunden haben, ihre Fantasien und Ängste gegen sie zu verwenden. Was, wie ich glaube, zum Teil an ihren eigenen Schuldgefühlen und ihrer eigenen Scham lag.«
»Da könnten Sie Recht haben. Die Gefühle haben stets Einfluss auf unseren Intellekt.«
»Aber in welchem Ausmaß?«, wollte Eve von der Psychologin wissen. »Genug, um sie Dinge sehen zu lassen, die es gar nicht gab? Genug, um sie auf der Flucht vor einer Illusion in einen heranfahrenden Wagen laufen und dabei umkommen zu lassen?«
Mira nahm wieder Platz. »Dann ist sie also tot. Das tut mir Leid. Sind Sie ganz sicher, dass sie vor einer Illusion davongelaufen ist?«
»Eine geübte Beobachterin war dabei. Es war nichts dort. Außer«, fügte Eve mit einem schiefen Lächeln hinzu, »einer schwarzen Katze.«
»Eins der traditionellen Symbole. Vielleicht hat das bereits gereicht, um sie vollkommen ausrasten zu lassen. Selbst wenn die Katze dort abgesetzt worden wäre, um sie zu erschrecken, dürfte es Ihnen schwer fallen, das einen Mord zu nennen.«
»Sie haben sie manipuliert, haben sie unter Drogen gesetzt, wahrscheinlich hypnotisiert. Sie haben sie mit üblen Tricks und Anrufen gequält. Und dann haben sie ihr endgültig den Rest gegeben. Ich will verdammt sein, wenn so etwas kein Mord ist. Und ich werde beweisen, dass es einer war.«
»Es wird nicht einfach werden, eine Religion, vor allem eine Religion, die von den meisten Menschen absichtlich ignoriert wird, vor Gericht zu bringen.«
»Das ist mir egal. Die Leute, die hinter dieser Sekte stecken, sind durch und durch verdorben. Und ich glaube, dass allein in den letzten beiden Wochen vier Morde auf ihr Konto gehen.«
»Vier.« Mira stellte ihre Tasse neben sich auf den Tisch. »Die Leiche, die in der Nähe Ihres Hauses gefunden wurde. In den Nachrichten wurden keine Einzelheiten genannt. Hat sie damit zu tun?«
»Ja. Er war ebenfalls ein Neuling und ihm wurde die Kehle mit einem Athame aufgeschlitzt. Anschließend haben sie mit dem Messer eine Botschaft, die den Satanismus verdammte, an seinen Unterleib geheftet. Festgebunden war die Leiche an einem umgedrehten Pentagramm.«
»Verstümmelung und Mord.« Mira spitzte ihre Lippen. »Wenn das tatsächlich Hexer oder Hexerinnen gewesen wären, wäre das nicht nur untypisch für sie, sondern stünde in krassem Gegensatz zu ihrem Glauben.«
»Menschen tun ständig Dinge, die untypisch für sie sind oder die ihrem Glauben widersprechen«, erklärte Eve in ungeduldigem Ton. »Aber in diesem Fall habe ich den Verdacht, dass er das Opfer eines oder mehrerer Mitglieder seiner eigenen Sekte geworden ist. Gestern Abend wurde ein weiterer Mann mit einem Athame getötet. Wir haben die Nachricht noch zurückgehalten, aber spätestens in ein paar Stunden wird sicher in sämtlichen Medien darüber berichtet. Ich war am Tatort, ich war hinter ihm her. Aber ich war zu langsam.«
»Er wurde also schnell getötet, ohne Ritual? Während eine Polizistin hinter ihm her war?« Mira schüttelte den Kopf. »Das war entweder eine verzweifelte oder eine arrogante Tat. Falls sie von denselben Menschen begangen worden ist, zeigt sie, dass sie sehr dreist sind.«
»Und dass sie vielleicht Gefallen daran finden. Blut kann einen süchtig machen. Ich will wissen, was die Schwächen eines Menschen sind, der eine solche Sekte leitet. Anführerin ist eine Frau mit einem langen Vorstrafenregister, bei dem es um illegalen
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