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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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zurück. Nein! Nicht so!
    Das Johlen der Menge klang in seinen Ohren wie das Geheul unzähliger Seelenfresser.
    »Angst, Kjer?« Soldaten packten ihn an den Armen, um ihn vorwärtszuzerren. Er sah das Grinsen des einen dicht vor sich. »Der Scharfrichter stammt aus Sajidarrah. - Und er versteht sein Handwerk.«
    Mordans Blick irrte vom Gesicht des Mannes zurück zu dem Balken. Ihr Geister, habt Erbarmen! Er schloss für einen Moment sein Auge, würgte das Grauen mühsam hinunter - und schüttelte die Hände der Soldaten ab.
    Nein! Ihr werdet mich nicht zittern sehen! Ihr Rachegeister, gebt mir Kraft! Lasst mich gut sterben! Zur Verblüffung der Männer ging er weiter, ohne von ihnen vorwärtsgezwungen zu werden. Das Gebrüll des Pöbels wurde zu einem fernen Rauschen, er merkte erst, dass sie das Blutgerüst erreicht hatten, als er die Stufen hinaufgeschoben wurde.
    Sie drehten ihn um, damit die Menge ihn sehen konnte. Er starrte über sie hinweg, schenkte ihrem Grölen keine Beachtung, sondern blickte hinüber zu der reich geschmückten Tribüne, auf der sich Rusan und sein Gefolge niedergelassen hatten. Während die Ketten grob von seinen Gelenken gelöst wurden, suchte er nach Lijanas, sehnte sich danach, sie ein letztes Mal sehen zu können. Und hoffte gleichzeitig, dass sie nicht hier war, dass sie nicht mit ansah, wie sie ihn ans Kreuz hängten. Er entdeckte sie in dem Augenblick neben Prinz Ahmeer, als die Soldaten ihm unter dem Gejohle der Menge die Kleider vom Leib rissen und ihn rücklings zu Boden und mit den Schultern auf den Querbalken zwangen.
    Die Sonne brannte gnadenlos auf ihn herab, machte ihn blind. Vergiss mich, Elljén! Werde glücklich!
    Der Scharfrichter und seine Gehilfen beugten sich über ihn, zerrten seine Arme brutal auseinander - Mordan konnte nicht verhindern, dass er die Hände zu Fäusten ballte und seine Muskeln spannte, bis sie zitterten -, schlangen raue Stricke um seine Handgelenke und zogen sie hart an, ehe sie die Seile an dem Balken festzurrten. Dann wurde er gepackt und auf die Füße gestellt. Heiße Qual jagte durch seine Arme und Schultern, als sie ihn zur Spitze des Kreuzes hinaufhoben.

    ***
    Die Hand an ihrem Arm schien das einzig Wirkliche in einer Welt aus zähem Nebel zu sein. Alles war wie unter dichten Schleiern verborgen, alles um sie herum gedämpft und seltsam verzerrt. Sie hörte Stimmen wie aus weiter Ferne, Geschrei und Johlen. Nur ganz allmählich klärte sich ihr Blick, an den Rändern noch immer verschwommen. Sie erinnerte sich an die Dienerinnen, die sie angekleidet hatten, an Ahmeer, das weiche Leder seiner Handschuhe, als er sie am Arm genommen und aus ihrem Zimmer geführt hatte, an Rusans Stimme, die besorgt fragte, wie es ihr gehe - und Ahmeers Antwort, dass sie noch immer unter dem leide, was die Kjer-Bestie ihr angetan hatte. Verwirrt und willenlos war sie der Hand gefolgt, die sie hierher geführt hatte, die sie auf einen weichen Sitz genötigt hatte.
    Sie schüttelte den Kopf, presste die Lider immer wieder aufeinander - der Nebel wollte ihre Sinne nicht freigeben; nur allmählich erkannte sie, wo sie sich befand. Auf der anderen Seite des Platzes konnte sie das Blutgerüst sehen, einen senkrecht in den grellblauen Himmel ragenden, hohen Balken. Sie zwang sich, ruhig und tief zu atmen. Die rot gekleidete Gestalt des Scharfrichters bewegte sich mit verzerrter Langsamkeit.
    Sie blinzelte wieder und wieder ... Nein! Ihre Hände krallten sich um die Lehnen ihres Sitzes. Entsetzen trieb den Nebel weiter zurück, ließ das Erinnern zu. Sie wandte sich Ahmeer zu, ballte die Fäuste und schob sich von ihm fort, kam mühsam auf die Beine, entging seiner Hand, als er nach ihr griff, taumelte und klammerte sich an eine der Stangen, die den golddurchwirkten Baldachin über der Tribüne trugen, um nicht zu fallen.
    Nein! Oh Gnädige, bitte! Nein! Voller Grauen beobachtete sie, was der Scharfrichter und seine Gehilfen taten, wie sie Mordan auf die Füße stellten, um dann Mann und Balken mit Stangen in die Höhe zu heben und an dem Längsbalken festzumachen. Feuriger Schmerz schoss ihre Arme hinauf bis in die Schultern und barst in ihrem Schädel, als sein ganzes Gewicht nur noch an den Seilen hing, die seine Handgelenke gegen den Querbalken schnürten. Wimmernd sank sie zu Boden und barg die Hände an ihrer Brust. Nein! Bitte! Nein! Die Welt drehte sich um sie herum.
    Dolchklingen schienen ihre Handgelenke zu durchdringen. Auf dem Platz johlte die Menge. Ihr

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