Der Kuss Des Kjer
trommelten nutzlos von innen dagegen. Der Krieger, den er schon gleich nach ihrer Ankunft hier als Wache postiert hatte, starrte ihn überrascht an. Wie betrübt schüttelte Ahmeer den Kopf. » Ich hätte ihr nicht erlauben sollen, den Kjer zu sehen. Es hat sie zu sehr aufgeregt, dieser Bestie noch einmal gegenüberzustehen ... Was muss er ihr Grauenvolles angetan haben, dass ihr Geist noch immer so sehr darunter leidet. - Sie ist verwirrt. Deshalb ist es besser, wenn sie außer mir niemanden sieht, bis es ihr wieder besser geht. Lass also niemanden zu ihr! « Der Krieger nickte und warf selbst einen mitleidigen Blick auf die Tür, hinter der die Schläge nur noch vereinzelt kamen.
»Armes Ding! «, hörte Ahmeer ihn noch murmeln, als er sich zur Treppe wandte.
Armes Ding? Pah. Eine Kjer-Hure war sie und nichts von dem Wert, was er ihr geben konnte. Glaubte sie tatsächlich, er würde ihr erlauben, ihn zu verlassen? Ihn vor aller Welt bloßzustellen? Vor den Adligen, seinen Freunden zu demütigen? Niemals! Er würde ihr schon zeigen, wo ihr Platz war. Was glaubte sie, wer sie war? Er würde sie behalten. Ihren Anblick mit diesen Narben im Gesicht würde er schon irgendwie ertragen. Er biss die Zähne zusammen. Eine kleine, dreckige Hure war sie. - Und nun würde er sich die Kjer-Bestie vornehmen.
***
Eliazanar stand einen Moment wie vor den Kopf gestoßen in der Stalltür und starrte auf das Bild, das sich ihr bot.
»Aufhören! « Mit langen Schritten durchmaß sie den Stall und packte Prinz Ahmeers Handgelenk, ehe er dem Kjer einen weiteren Fausthieb versetzen konnte.
Wütend wandte er sich zu ihr um.
»Was fällt Euch ein?«, fuhr er sie scharf an und riss sich los.
»Was fällt Euch ein, Ahmeer? Wollt Ihr Eurem Onkel einen Kadaver bringen? - Lasst ihn los! « Der Befehl hatte den beiden Kriegern gegolten, die den Blutwolf zwischen sich festgehalten hatten, während Ahmeer ihn mit Schlägen traktierte. Die Männer gehorchten hastig und ließen den Kjer zu Boden gleiten. Eliazanar ging neben ihm in die Hocke, drehte ihn auf den Rücken. Zischend zerbiss sie einen Fluch zwischen den Zähnen, bedachte den Prinzen mit einem erbosten Blick. »Was soll das?«
Der verschränkte die Arme vor der Brust, während er ihn hochmütig zurückgab. >> Das geht Euch nichts an, Eliazanar.«
» Ihr irrt Euch, Ahmeer! « Gefährlich langsam stand sie auf und trat auf ihn zu. »Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn Ihr ei, nen Gefangenen, den ich auf Befehl meines Fürsten lebend nach Anschara bringen soll, offensichtlich zu Tode prügeln wollt.« Sie maß ihn mit eisiger Miene. »Ab sofort ist der Blutwolf mein Gefangener! Ihr werdet Euch von ihm fernhalten! «
»Wie könnt Ihr es wagen, mir Befehle zu erteilen?«, zischte Ahmeer dagegen.
Eliazanar packte ihn an der Weste und zog ihn zu sich heran. »Ich wage es, Euch Befehle zu erteilen, weil ich Astrachars Heermeisterin bin und nur Eurem Onkel Rechenschaft schulde. Und weil Ihr - Prinz oder nicht - nur einer meiner Offiziere seid und meinen Befehlen zu gehorchen habt, ob es Euch gefällt oder nicht! « Sie stieß ihn in Richtung Stalltür von sich. »Und nun verschwindet! Sehe ich Euch noch einmal in der Nähe des Blutwolfs, werdet Ihr herausfinden, was es heißt, mich zu ärgern! « Einen Moment lang starrte Prinz Ahmeer sie wütend an, dann wanderte sein Blick noch einmal hasserfüllt zu dem Gefangenen, ehe er sich brüsk abwandte und den Stall verließ. Erst als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, drehte Eliazanar sich wieder zu den beiden Männern und dem Gefangenen um - und fluchte erneut. In die, sein Zustand würde sie den Blutwolf noch nicht einmal mehr auf den Rücken eines Pferdes setzen können. »Beim Busen der Göttin, steht nicht da und gafft«, fuhr sie die Krieger an. » Du! Schaff Wasser her! - Und du! Hilf mir, ihn da hinten in die Ecke zu tragen und auf das Stroh zu legen.« Die Männer beeilten sich, ihren Befehlen nachzukommen.
***
Mit hart pochendem Herzen kauerte Lijanas in den nächtlichen Schatten, verborgen am Fuße der Hauswand unter ihrem Fenster im ersten Stock, und spürte die kühle Berührung des Efeus im Nacken, an dem sie sich eben bis zum Boden hinunter gehangelt hatte. Ihre Schulter stand in Flammen und sie dankte im Stillen der Gnädigen Göttin, dass ihre Wunde bei ihrem Abstieg nicht aufgebrochen war. Sie hatte die Schlinge, in der sie ihren Arm den ganzen Tag über geborgen hatte, in ihrem Zimmer zurückgelassen.
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