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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Herberge zurück, wenn sie schon lange schlief. Doch während der Tage war er immer dann zur Stelle, wenn sie ihn brauchte. Sein Arm stützte sie, wenn sie vor Erschöpfung schwankte, ein paar Mal führte er sie, ohne auf ihren Einspruch zu achten, zu einem Stuhl und nötigte sie, sich zu setzen und auszuruhen. Zuweilen stand er unvermittelt hinter ihr und reichte ihr einen Becher Wein, als habe er genau gewusst, dass sie sich just nach einem Trunk sehnte. Einmal zwang er sie sogar, sich in einer Ecke des Krankensaales auf einem frisch gestopften Strohsack, der mit gerade ausgekochtem Leinen bezogen war, niederzulegen und einige Stunden zu schlafen, während er darüber wachte, dass sie von niemandem gestört wurde. Und immer wieder begegnete sie seinem Blick. Es war beinah, als hätte sie einen ganz anderen Mann vor sich. Nur als sie ihn fragte, wo er jede Nacht hinging, war sein Ton wieder von jener vertrauten Schärfe, während er ihr beschied, dass sie das nichts anginge.
    Es war am Nachmittag des vierten Tages, als man den jungen ins Seuchenhaus brachte. Sein Körper glühte, er litt bereits unter Nasenbluten und dennoch lächelte er Lijanas tapfer an, während er ihr versicherte, er sei ein Krieger wie sein Bruder und er werde diese dumme Krankheit in seinem Körper schon besiegen, sie bräuchte sich also keine Sorgen um ihn zu machen. Doch Lijanas hatte den Schatten auf seinem Leben gesehen - dunkel und undurchdringlich. Als sie ihm erzählte, sie sei die Frau eines Kjer-Kriegers, riss er die Augen weit auf und zeigte sich beeindruckt. Seiner Meinung nach gab es keine größeren Krieger als die Kjer. Sie waren unbesiegbar und kannten keine Furcht.
    Einige Zeit später wollte sie ihm eine Medizin gegen die Schmerzen einflößen, doch er wehrte sich schwach. Er war ein Krieger, er brauchte keine Medizin! Lijanas kannte den wahren Grund, warum er sich weigerte. In seinem geschwächten Leib wüteten Krämpfe; Durchfälle und Erbrechen quälten ihn und taugten ihn zusätzlich aus. Sein Kissen war rotfleckig von dem Blut, das ihm als stetiges Rinnsal aus der Nase floss.
    Sie hatte gelernt, ihr Herz vor dem Leid ihrer Patienten zu verschließen, doch seine Tapferkeit trieb ihr die Tränen in die Augen. Als sie den Blick hob, um sich die Nässe von den Lidern zu wischen, entdeckte sie Mordan, der gerade dabei war, einen Strohsack frisch zu stopfen - und plötzlich hatte sie eine Idee. Sie winkte ihn heran, erzählte ihm hastig von dem jungen und bat ihn um Hilfe dabei, dem Kind seine Medizin einzuflößen. Mit ruhigem Ernst nahm der dunkle Krieger ihr den Becher aus der Hand und kniete sich neben den Kleinen. Seine knappe Handbewegung sagte ihr, dass sie gehen konnte. Sie lächelte dem jungen noch einmal zu und eilte dann quer durch den Saal, wo Peider sie gerade voller Entsetzen zu sich rief. Als sie sah, weshalb, wurde ihr kalt. Terodh war von Krämpfen geschüttelt zusammengebrochen und spuckte Blut. Sie war von nun an allein für die Kranken verantwortlich. Ihre Hände zitterten, als ihr mit einem Mal erschreckend klar wurde, dass auch sie nicht vor der Krankheit geschützt war weder sie noch Mordan.
    Müde ließ sie den Blick durch den Raum schweifen und entdeckte ihn noch immer an der Seite des jungen. War es ihm bisher nicht gelungen, dem Kleinen die Medizin einzuflößen? Sie schritt hinüber, blieb aber stehen, als sie sah, dass Mordan den Becher locker in den Händen hielt - leer. Die fiebrigen Augen des jungen hingen an den Lippen des dunklen Kriegers, während er gebannt lauschte, ein leises Lächeln auf dem schweißbedeckten Gesicht. Mordan erzählte dem Kind eine Geschichte, lenkte es so von den Schmerzen ab. Und erleichterte ihm den Übergang in die nächste Welt.
    Still zog sie sich zurück und überließ den Kjer-Krieger und den jungen sich selbst.
    Wann immer sie in der folgenden Stunde in der Nähe der beiden vorbeikam, hörte sie Mordans dunkle Stimme. Ein paar Mal glaubte sie, Worte wie Schwert, Kampf, Held und Ungeheuer zu verstehen, einmal hörte sie das Kind sogar lachen. Doch schließlich bemerkte sie, dass der junge sich nicht mehr regte. Behutsam trat sie hinter den schwarzhaarigen Krieger und legte ihm die Hand auf die Schulter. Die Augen des Kindes waren geschlossen, das Blut aus seinem fahlen Gesicht gewischt -
    dennoch sprach Mordan weiter.
    »Er ist tot, Kjer!« Sie sagte es leise und sanft. Ihre Hand wurde brüsk abgeschüttelt, während er weitererzählte, wie sich der heldenhafte

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