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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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könnten - und musste sehr schnell erkennen, dass der junge Heiler bereits aufgegeben hatte. Er ließ es sogar widerspruchslos zu, dass Lijanas bis zum Nachmittag mehr und mehr die Führung übernahm; ja, er wirkte geradezu erleichtert darüber.
    Wie sie es gelernt hatte, machte sie sich zu jedem Kranken sorgfältig Notizen und führte die Krankenlisten, die es später ermöglichten, die Toten zu identifizieren.
    Stunde um Stunde verbrachte sie bei ihren Patienten, flößte Fiebermittel ein, wechselte kalte Umschläge, wusch nässende Wunden mit heilenden Kräutersuden und hielt die Hand von Kranken, nur um ihnen dann doch das Laken übers Gesicht ziehen zu müssen. Als die ersten Flammentürme gelöscht wurden, hatte sie eingesehen, dass es für die, die erkrankt waren, keine Hoffnung gab. Dennoch war sie nicht bereit, dies wie Terodh einfach hinzunehmen.
    Die ganze Zeit über war sie sich Mordans Anwesenheit bewusst. Er war den Soldaten zugeteilt worden, die freiwillig als Pfleger im Seuchenhaus arbeiteten, schleppte mit ihnen Leichen in den Hof hinaus, half im Wahn um sich schlagende Kranke zu bändigen oder trug neu eingelieferte Fälle zu einem freien Lager - und schaffte es dennoch, dass sie jedes Mal, wenn sie aufsah, seinem Blick begegnete.
    Während der Tag verstrich, wuchs ihre Verwunderung. Sie hätte niemals angenommen, dass dieser stolze Mann sich dazu durchringen könnte, einen sterbenden, nach Eiter stinkenden Körper zu waschen, besudelte Laken zu wechseln oder sogar Exkremente und Erbrochenes aufzuwischen. Aber er tat es ohne jemals zu murren.
    Bis zum späten Nachmittag befanden vier der sechs Pfleger sich in einem Stadium zufriedener Trunkenheit. Sie hatten sich begeistert an Lijanas' Anweisung gehalten, während ihres Diensts bei den Kranken nur Wein anstelle von Wasser zu sich zu nehmen, da Alkohol nach der allgemeinen Lehrmeinung die Gefahr der Ansteckung verringerte. Nicht dass sie davor Wasser getrunken hätte - doch nun konnten sie dem Wein offen zusprechen. Nur Mordan und ein junger Soldat mit Namen Peider, dessen Eltern beide an der Seuche gestorben waren und der mit seiner schwangeren Frau im alten Bezirk wohnte, waren nicht betrunken und versahen ihren Dienst weiter.
    Die Ölschalen waren in den Nischen schon angezündet und tauchten das Elend in den gekalkten Mauern in gnädiges Halblicht, als Lijanas unvermittelt eine Hand auf ihrer Schulter spürte.
    Mordan stand hinter ihr. » Es ist genug! «, war alles, was er sagte, und sie verstand. Ein wenig steif erhob sie sich von den Knien und schenkte der jungen Frau, die vor einer Stunde gebracht worden war, noch ein ermunterndes Lächeln. Sie hatte sich angewöhnt, jeden der Kranken, an dessen Lager sie trat, zu berühren - bei jedem sah sie den Schatten, schwarz und undurchdringlich - und auch diese Patientin würde bis zum nächsten Abend tot sein. Müdigkeit und Erschöpfung ließen sie wanken und sie war dankbar, dass der dunkle Krieger den Arm um sie legte und sie festhielt.
    Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie während des Tages auch nur einen Augenblick Zeit gefunden hätte, um auszuruhen. Selbst ihr Mittagsmahl aus Brot und Käse hatte sie im Stehen verzehrt und hastig einen Becher Wein dazu getrunken.
    Den Weg zu Faderas Herberge legten sie schweigend zurück. Mordan brachte sie bis zur Tür, verabschiedete sich dann mit einem gemurmelten » Ich brauche noch etwas Bewegung! « von ihr und ging davon. Verwirrt blickte Lijanas ihm nach, bis er im Halbdunkel der Gasse verschwunden war. Im Speiseraum erwartete sie Schweigen.
    Weder Fadera noch einer der Kjer war zu sehen, doch auf dem Tisch stand ein Speisebrett, beladen mit Brot, Fleisch und Käse, und neben der Kaminstelle war ein Topf mit dickem Eintopf warm gestellt. Sie füllte sich einen Teller damit und nahm sich von den anderen Köstlichkeiten zusammen mit einem Krug frischen Quellwassers mit hinauf in ihr Zimmer. Sie schlief tief und fest, als Mordan sich schließlich neben sie legte.
    Die nächsten Tage vergingen in quälendem Gleichmaß. Mordan weckte sie, kaum, dass die Flammentürme entzündet worden waren, sie frühstückten und gingen gemeinsam ins Seuchenhaus, wo dann jeder seiner Arbeit nachging. Ihr Tag endete immer erst spätabends und Lijanas fiel nach einem raschen Mahl und einem heißen Bad ins Bett, wo sie einschlief, kaum, dass sie die Decke über sich gezogen hatte.
    Mordan jedoch verschwand jeden Abend in den nächtlichen Gassen und kam erst dann in die

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