Der Kuss des Lustdämons
wirken ließen.
„Setzten Sie sich“, sagte sie ohne aufzublicken.
Celice zog den Stuhl zurück, der vor dem Tisch stand, und setzte sich. Nur keine Angst zeigen! Celice musste immer an Liza Minnelli denken, wenn sie auf ihre Chefin traf. Im Gegensatz zu der Schauspielerin hatte diese allerdings keine herzliche Ausstrahlung. Auf ihrem Gesicht lag immer eine gewisse Gleichgültigkeit, die das Bild der eiskalten Despotin noch mehr verfestigte.
„Frau Julien, ich glaube, Sie und ich haben ein Problem.“ Frau Stieling seufzte affektiert. „Wissen Sie, in letzter Zeit machen Sie mir Sorgen. Und ich frage mich ernsthaft, ob Sie überhaupt noch richtig bei der Sache sind.“ Sie ließ die Fotos auf den Tisch zurückfallen und lehnte sich im Stuhl zurück. Celice schluckte, als ihre eisblauen Augen sie durchbohrend musterten. „Sehen Sie sich das an!“ Sie reichte Celice ein Bild herüber.
Zögernd nahm sie das Fotopapier entgegen. Kyra war zu sehen, das heißt, sie sollte zu sehen sein. Das Bild war total unscharf. Wie konnte das nur passieren?
„Ich ...“ Mehr brachte Celice nicht heraus. Kalter Schweiß legte sich auf ihre Stirn. Das hieß wohl, dass das Stockholmer Shooting ein kompletter Reinfall war. Und das Magazin hatte durch sie viel Geld zum Fenster rausgeworfen. Verdammt! Frau Stieling erhob sich, ging um den Tisch herum und stellte sich direkt neben sie. Celice starrte auf das weinrote Kostüm.
„Soll ich Ihnen sagen, was das ist? Das ist große Scheiße!“, bellte sie. „Wenn Sie glauben, Sie hätten das Recht, Ihre privaten Probleme in die Arbeit hineinzuziehen, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie nicht geeignet sind, weiter Fotos für dieses Magazin zu schießen.“
Für einen Moment wusste Celice nichts zu sagen. Aber wenn sie jetzt schweigen würde, dann wäre alles aus. Sie erhob sich vom Stuhl und blickte der Chefin direkt in die Augen.
„Ich verspreche Ihnen, dass es nicht mehr vorkommen wird! Bitte, geben Sie mir noch eine Chance!“
Frau Stieling lächelte und ging zu ihrem Platz zurück. „Hören Sie, Celice. Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist. Ich habe so große Stücke auf Sie gehalten. Sie waren vielversprechend, als Sie hier angefangen haben. Aber so was wie das hier“, damit wedelte sie mit einigen Bildern vor ihrem Gesicht, „das bekommt man nicht mal von einem Anfänger.“ Sie warf die Abzüge mit Schwung auf den Tisch. „Aber das ist ja noch nicht alles! Sehen Sie sich mal im Spiegel an! Ungekämmte Haare, ungeschminkt und ständig in Gedanken versunken! Sie sind ein Geist! Und das waren Sie schon vor Ihrem Urlaub, wie man an diesen Bildern sehen kann. Ich erwarte Professionalität von jedem meiner Mitarbeiter. Was soll ich mit jemandem wie Ihnen anfangen?“
„Ich bitte Sie! Dieser Job ist mein Leben!“, flehte Celice.
„Wissen Sie, nichts hasse ich mehr als Menschen, die sich gehen lassen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich noch Arbeit für Sie habe.“ Frau Stieling lehnte sich zurück, legte ein Bein über das andere.
Celice stützte sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab. „Sie waren bisher immer mit mir zufrieden und ich habe mir nie was zuschulden kommen lassen. Ja, ich habe mein Privatleben in den Job einfließen lassen. Und ja, durch mich hat das Magazin jetzt sehr viel Geld verloren. Aber ich bin die Beste, die Sie kriegen können. Sie wissen das!“
„Nun gut. Ich freue mich, dass Sie noch nicht völlig aufgegeben haben. Dennoch muss ich Ihnen leider sagen, dass es eine Bewerberin für Ihren Posten gibt, die ebenfalls sehr vielversprechend ist.“ Frau Stieling presste die blutroten Lippen aufeinander und beobachtete Celices Reaktion.
„Was meinen Sie mit Bewerberin?“ Celice sank auf den Stuhl.
„Nun, Sie werden in einer Art Wettbewerb gegen eine andere Fotografin antreten. Wer von Ihnen beiden mich mit seinem Projekt mehr überzeugt, der wird nicht nur mit einem Special in der nächsten Ausgabe erscheinen, sondern auch fest eingestellt werden. Wer mich nicht überzeugt, der kann seine Sachen packen. Das ist der Deal.“ Der leicht sadistische Charakter von Frau Stieling war nun nicht mehr zu leugnen.
„Was muss ich also tun?“ Celice schlug ihre Beine übereinander und versuchte Haltung zu wahren. Jetzt ging es um alles oder nichts.
„Die Aufgabe ist es, Fotos zu einem Thema zu schießen, das Sie sich selbst aussuchen. Sie bekommen alle Mittel gestellt und haben freie Hand.“ Frau Stieling verfiel in ein
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