Der Kuss des Meeres
also kommen auch keine Trikotfarben infrage. Rachel hat die Autos für ihn ausgesucht, das bringt mich auch nicht weiter. Ich beiße mir auf die Unterlippe und entscheide mich für Ozeanblau.
» Emma! Jetzt schäme ich mich aber«, ertönt es von der Tür. » Wie kann es sein, dass du meine Lieblingsfarbe nicht kennst?«
Erschrocken lasse ich das Fläschchen wieder auf den Tisch fallen. Da er so früh zurück ist, schätze ich, dass er nicht gefunden hat, wen oder was er gesucht hat– und dass er relativ schnell aufgegeben hat. Toraf erscheint hinter ihm, aber Galens Schultern sind zu breit, als dass sie beide in der Tür stehen könnten. Ich räuspere mich und sage: » Dieses Fläschchen habe ich doch nur aussortiert, um an die richtige Farbe ranzukommen.«
In Raynas Augen funkelt ein kleines Siegestänzchen. » Und die wäre?«, fragt sie mit bissigem Hohn in der Stimme. Toraf drängt sich an Galen vorbei und lässt sich neben seiner zierlichen Gefährtin fallen. Erpicht auf einen Kuss, lehnt sie sich an ihn. » Ich hab dich vermisst«, flüstert sie.
» Nicht so sehr wie ich dich«, korrigiert er sie.
Galen und ich verdrehen die Augen, als er herüberkommt, um sich neben mir an den Tisch zu lehnen. Seine nassen Shorts machen hinternförmige Pfützen auf dem teuren Holz. » Also los, Engelfisch«, sagt er und deutet auf die Nagellackflaschen.
Wenn er versucht, mir einen Hinweis zu geben, macht er seine Sache miserabel. » Los« könnte Grün bedeuten, schätze ich. » Also« könnte… ich habe keine Ahnung, was das bedeuten könnte. Und Engelfische kommen in allen möglichen Farben daher. Ich beschließe, dass er keine Nachricht für mich verschlüsselt hat, seufze und stoße mich vom Tisch ab, um aufzustehen. » Ich weiß es nicht. Wir haben noch nie darüber gesprochen.«
Rayna schlägt sich triumphierend aufs Knie. » Ha!«
Bevor ich an ihm vorbeigehen kann, packt Galen mich am Handgelenk, zieht mich an sich und hält mich zwischen seinen Beinen fest. Er presst seinen Mund auf meinen, bewegt die Hand zu meiner Taille und drückt mich an sich. Weil er kein T-Shirt trägt und ich nur einen Bikini, berührt sich dabei eine Menge nackter Haut und macht die Sache ein wenig intimer, als ich es vor Publikum gewohnt bin. Trotzdem versengt das Feuer mein Fleisch und brennt sich einen Pfad in mein tiefstes Inneres. Ich muss mich heftig am Riemen reißen, um nicht die Arme um seinen Hals zu schlingen.
Sanft stoße ich mich mit den Händen von seiner Brust ab und beende den Kuss– etwas, wovon ich nie geglaubt hätte, dass ich es jemals tun würde. Ich werfe ihm einen Blick zu, von dem ich hoffe, dass er » unpassend« sagt. Dann trete ich zurück. Ich kenne die anderen inzwischen lange genug, um ohne hinzusehen zu wissen, dass Raynas Augen aus den Höhlen quellen und Toraf wie ein Nussknacker grinst. Mit etwas Glück hat Rachel den Kuss nicht einmal gesehen. Als ich einen Blick riskiere, starrt sie mich vor Schreck mit offenem Mund an.
Okay, es sah also wirklich so wüst aus, wie ich dachte. Wie ein Kind schließe ich die Augen und hoffe, dass sie mich dann auch nicht mehr sehen. Das Feuer des Kusses breitet sich überall in mir aus. Mein ganzer Körper errötet.
Galen lacht. » Da ist sie«, sagt er und lässt seinen Daumen über meine Unterlippe gleiten. » Das ist meine Lieblingsfarbe. Wow.«
Ich werde ihn umbringen. » Galen. Bitte. Komm. Mal. Mit.« Ich würge die Worte förmlich heraus. Ich schiebe mich an ihm vorbei, und meine nackten Füße klatschen über die Kacheln, bis ich im Flur auf den Teppich stampfe und dann die Treppe hinauf.
Das Kribbeln auf meiner Haut verrät mir, dass er mir wie ein braver toter Fisch folgt. Als ich die Leiter zum obersten Stockwerk erreiche, gebe ich ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er mir weiter folgen soll, bevor ich mich selbst hinaufbefördere. Während ich im Raum auf und ab tigere, bis er durch die Falltür tritt, zähle ich mehr Mississippis als je zuvor in meinem Leben.
Er schließt die Tür und verriegelt sie, macht aber keine Anstalten, näher zu kommen. Trotzdem, für jemanden, der gleich sterben wird, wirkt er vergnügter, als er sollte. Ich zeige mit dem Finger auf ihn, kann mich aber nicht entscheiden, was ich ihm zuerst vorwerfen soll, also lasse ich ihn wieder sinken.
Nach ein paar Minuten bricht er das Schweigen. » Emma, beruhig dich.«
» Sag mir nicht, was ich tun soll, Hoheit.« Ich warne ihn mit meinem Blick, dass er es ja nicht wagen
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