Der Kuss des Meeres
wahr?« Ich beschließe, die nächste Welle einfach zu verschlucken, statt über sie hinwegzuschwimmen. Ich bin erleichtert, als er wieder meine Taille umfasst.
» Emma, ich gehe nur alle Möglichkeiten durch. Du musst zugeben, dass hier irgendjemand nicht die Wahrheit sagt. Und ich glaube nicht, dass du begründet behaupten kannst, ich würde lügen.«
Ich schüttele den Kopf. » Nein. Du lügst nicht. Aber sie sind meine Eltern, Galen. Ich habe die Nase meines Dads. Und das Lächeln meiner Mom.«
» Hör mal, ich will nicht mit dir streiten. Wir werden einfach noch genauer darüber nachdenken müssen, das ist alles.«
Ich nicke. » Es muss eine andere Erklärung geben.«
Er schenkt mir ein schmallippiges Lächeln. Sein Gesicht zeigt einen zweifelnden Ausdruck. Schweigend lassen wir uns von den Wellen in Richtung Ufer treiben. Nach einer Weile zieht er meine Beine hoch und ich lehne meinen Kopf an seine Brust. Wir nehmen Geschwindigkeit auf, als er uns sanft durch die Wellen lenkt.
» Galen?«
» Hmhm?«
» Was passiert, wenn wir das Ufer erreichen?«
» Wahrscheinlich solltest du ein bisschen schlafen.«
Als ich das Kinn zu ihm hochrecke, sieht er mich bereits an. » Du denkst, ich kann nach dieser ganzen Sache schlafen? Und überhaupt, das habe ich nicht gemeint.«
Er nickt. » Ich weiß.« Er zuckt die Achseln und rückt mich in seinen Armen zurecht. » Ich habe gehofft, du würdest mir erlauben… dir zu helfen.«
» Du willst mir helfen, mich in einen Fisch zu verwandeln?«
» So in etwa.«
» Warum?«
» Warum? Warum nicht?«
» Hör auf, mir meine Fragen mit Gegenfragen zu beantworten.«
Er grinst. » Es funktioniert nicht, oder?«
» Lass das!« Ich versetze seinem Kinn einen kleinen Schlag.
Er lacht. » In Ordnung.«
» Aber was ich zu sagen versuche, ist– der Grund, warum du seit Chloes Tod so großes Interesse an mir hast… der Grund, warum du hierhergekommen bist, warum du dich an meiner Schule angemeldet und mich an den Strand eingeladen hast… Du wolltest einfach nur herausfinden, ob ich eine von euch bin?«
Natürlich, du Dummkopf. Wann hat dich schon jemals jemand wie Galen beachtet? Wann hat es überhaupt jemals jemanden wie Galen gegeben? Trotzdem, es überrascht mich, wie sehr es schmerzt, als er nickt. Ich bin sein kleines Wissenschaftsprojekt. Die ganze Zeit über, als ich dachte, er flirtet mit mir, hat er in Wirklichkeit nur versucht, mich hier herauszulocken, um seine Theorie zu prüfen.
Wenn Dummheit eine Krankheit wäre, wäre ich inzwischen daran gestorben. Aber zumindest weiß ich jetzt, woran ich bin– in Bezug auf seine Gefühle für mich. Doch in Bezug auf seine Absichten im Allgemeinen habe ich keinen Schimmer.
Was passiert, wenn ich mich tatsächlich in einen Fisch verwandeln kann? Denkt er, ich werde meiner Mom einen Abschiedskuss geben, meine guten Noten– die ganzen Stipendien– die Toilette runterspülen, damit ich mit den Delfinen schwimmen kann? Er sagt, er ist ein Mitglied der Königsfamilie. Natürlich weiß ich nicht genau, was das bedeutet, aber ich kann es mir schon denken– dass ich nichts weiter als ein Untertan für ihn bin, jemand, den er herumkommandieren kann. Er hat schließlich gesagt, dass ich ihm gehorchen muss. Aber wenn er ein Royal ist, warum kommt er dann höchstpersönlich hierher? Warum schickt er nicht jemand weniger Wichtiges? Ich wette, der amerikanische Präsident geht nicht persönlich in fremde Länder, um sich auf die Suche nach verschwundenen Amerikanern zu machen, die vielleicht nicht einmal Amerikaner sind.
Aber würde er mir überhaupt die Wahrheit sagen? Er hat mich bereits einmal getäuscht und Interesse an mir geheuchelt, um mich hierherzulocken. Er hat mir ins Gesicht gelogen, als es um seine Mutter ging. Er hat sogar meine Mom angelogen. Welche Lügen würde er noch auftischen, um zu kriegen, was er will? Nein, ich kann ihm nicht vertrauen.
Trotzdem will ich die Wahrheit erfahren, und sei es nur für mich selbst. Ich habe nicht vor, in eine große Muschelschale vor der Küste von Jersey zu ziehen oder so– aber ich kann nicht leugnen, dass ich anders bin. Was könnte es schaden, noch etwas mehr Zeit mit Galen zu verbringen, damit er mir hilft, das alles genauer herauszufinden? Und wenn er mich für so eine Art Bauernfisch hält, der ihm Gehorsam schuldet? Warum sollte ich ihn nicht genauso ausnutzen wie er mich– um zu bekommen, was ich will?
Das Problem dabei ist nur, dass das, was ich will, ist, dass er
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