Der Kuss des Meeres
Syrena. Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich keine große Flosse…«
» Du gibst dir einfach nicht genug Mühe.«
» Nicht genug Mühe? Mir eine Flosse wachsen zu lassen?«
Er nickt. » Das ist noch kein natürlicher Prozess für dich. Du bist zu lange in Menschengestalt gewesen. Aber es wird anfangen, dich zu stören, mit Beinen im Wasser herumzustrampeln. Du wirst den Drang verspüren, dich zu… strecken.«
» Tut das weh?«
Er lacht. » Nein. Es fühlt sich gut an, so wie es sich gut anfühlt, sich zu strecken, wenn man eine Weile gesessen hat. Eine Flosse ist ein einziger großer Muskel. Aufgeteilt in zwei menschliche Beine, ist er natürlich nicht mehr so kraftvoll. Aber wenn du in deine Syrena-Gestalt wechselst, strecken sich die Beinmuskeln und werden eins. Kannst du es nicht spüren?«
Ich schüttele den Kopf und mache große Augen.
» Es ist nur eine Frage der Zeit«, sagt er und nickt bestätigend. » Wir werden schon noch dahinterkommen.«
» Galen, ich bin keine…«
» Emma, dass du eine halbe Meile unter der Wasseroberfläche mit mir redest, ist Beweis genug für das, was du bist. Übrigens, wie fühlst du dich?«
» Meine Lunge fühlt sich irgendwie eng an. Was bedeutet das?«
Bevor noch weitere winzige Luftbläschen entweichen können, legt er die Arme um mich, und wir schnellen empor. » Es bedeutet, dass dir jetzt die Luft ausgeht«, murmelt er mir ins Ohr. Ich zittere, aber nicht vor Kälte.
Moment mal. Sollte es eine halbe Meile tief unten im Atlantik nicht eiskalt sein? Ich meine, in puncto Kälte bin ich wirklich ein Waschlappen. Niemand packt sich im Winter dicker ein als ich. Also, warum klappern meine Zähne jetzt nicht so heftig, dass sie in kleine Teilchen zersplittern? Es ist swimmingpoolkalt, nicht etwa meine-Nasenlöcher-sind-zugefroren -kalt. Habe ich das der dicken Haut zu verdanken, die Galen erwähnt hat? Funktioniert die wie eine Isolierung? Funktioniert die nur im Wasser?
Wir schießen an die Oberfläche. Galen nickt beifällig, als ich die alte Luft aus- und neue einatme. Ich pumpe meine Lunge mit frischer Luft voll und will gerade wieder untertauchen, als er den Kopf schüttelt und mich erneut nach oben zieht. » Lass uns nichts überstürzen. Ich bin mir nicht sicher, wie lange du den Atem anhalten kannst. Ich schätze, wir werden ein Auge darauf haben müssen, zumindest bis du dahinterkommst, wie du dich verwandeln kannst.«
Er dreht mich um, sodass ich nach vorne sehe, und klemmt mich akkurat unter einen Arm. Jetzt fühle ich mich wie ein Schoßhündchen. Der Mond späht auf uns herab, während wir für eine Weile auf den Wellen reiten. In der Ferne können wir gelegentlich ein schwaches Wetterleuchten sehen, aber kein Land.
Als ich die Chihuahua-Position nicht länger ertragen kann, zappele ich mich frei. Er fängt mich auf, bevor ich untergehe, und zieht mich an sich, sodass meine Nase seine streift. Über Wasser fühlt sich jede unserer Berührungen mit Kilowatt aufgeladen an. Unten spüre ich nur Galens » Puls« wie eine magnetische Kraft zwischen uns. Seine Flosse streicht so samtig wie der Flügel eines Schmetterlings gegen mein Bein, nicht schuppig wie ein Fisch.
Ich winde mich aus seinen Armen, um etwas mehr Abstand zwischen uns zu bringen. Er lässt es zu, aber er lässt mich nicht los. » Wenn ich eine Syrena bin, woher stamme ich denn dann?«, frage ich. » Meine Mom hat nicht diese Augen.«
Er nickt. » Ich weiß. Ich habe darauf geachtet.«
» Außerdem ist sie wasserscheu. Wir wohnen nur am Strand, weil Dad das Meer geliebt hat.« Tatsächlich spricht Mom, seit Dad nicht mehr ist, die ganze Zeit davon, in die Nähe der Stadt zu ziehen. Ich habe sie schließlich davon überzeugt, dass sie damit noch warten soll, bis ich aufs College gehe.«
» Und dein Vater?«
» Blond. Blaue Augen. Nicht so bleich wie ich.«
» Hmhm.« Aber er klingt nicht überrascht. Vielmehr so, als hätte ich nur bestätigt, was er bereits vermutet hat.
» Was?«
» Das Einzige, was mir dazu einfällt, ist, dass sie nicht deine richtigen Eltern sind. Sie können es nicht sein.«
Ich schnappe nach Luft. » Du denkst, ich bin adoptiert ? «
» Was bedeutet adoptiert noch mal?«
» Dass sie mich als ihr Kind großgezogen haben, ich aber von einer anderen Frau auf die Welt gebracht wurde.«
» Offensichtlich.«
Ich stoße mich von ihm weg. Die Wellen sind viel größer, wenn ich versuche, ganz allein mit ihnen fertigzuwerden. » Du hast leicht reden, nicht
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