Der Kuss des Meeres
Nur dass Mom nicht diejenige ist, die gerade tomatenrot wird.
» Hm-hm«, sagt er und wirft mir einen Du-bist-aufgeflogen -Blick zu. » Heiß hin oder her, ich fürchte, dass sie meinem Charme in diesem Fall nicht erliegen wird. Wir werden einen Profi hinzuziehen müssen.« Und dann zwinkert mir dieser Fischprinz doch tatsächlich zu.
» Du meinst Rachel.« Ich grabe meine Zehen in den Sand. » Ich schätze, einen Versuch ist es wert. Aber erwarte nicht zu viel. Ich habe bereits jede Menge Unterricht versäumt.«
» Wir könnten am Wochenende runterfliegen. Und vor Schulbeginn am Montag zurück sein.«
Ich nicke. » Darauf lässt sie sich vielleicht ein. Wenn Rachel ihre Karten richtig spielt.« Klar lässt sie sich darauf ein. Und danach lässt sie sich die Zunge piercen und die Haare kirschrot färben, damit der Iro, den sie sich auch noch schneiden lässt, noch cooler aussieht. Daraus wird nichts. Ich zucke die Achseln. » Ich werde einfach weiter üben, wenn du weg bist. Vielleicht müssen wir gar nicht nach Florida…«
» Nein!«, rufen Galen und Toraf gleichzeitig, und ich zucke zusammen.
» Warum nicht? Ich werde nicht zu tief hineingehen…«
» Kommt nicht infrage«, sagt Galen und steht auf. » Du wirst nicht ins Wasser gehen, solange ich fort bin.«
Ich stampfe ein Loch in den Sand. » Ich habe dir schon gesagt, dass du mich nicht herumkommandieren kannst, oder? Jetzt hast du’s so ziemlich geschafft , dass ich garantiert ins Wasser gehe. Euer Hoheit.«
Galen fährt sich mit der Hand durchs Haar und zischt eine ganze Reihe von Schimpfwörtern, die ihm zweifellos Rachel beigebracht hat. Für einige Sekunden geht er im Sand auf und ab und kneift sich in den Nasenrücken. Bis er ganz plötzlich stehen bleibt. Sich entspannt. Und sogar lächelt. Dann geht er zu seinem Freund hinüber und verpasst ihm einen Klaps auf den Rücken. » Toraf, du musst mir einen Gefallen tun.«
14
Galen weiß, wo er seinen Bruder findet. Groms selbst gewählte Einsamkeit bei den Überresten der menschlichen Minen zu stören, ist so ziemlich das Letzte, was er gerade tun will. Aber ihm läuft die Zeit davon. Gehorsam gehört nicht zu Emmas Stärken. Und Toraf wird es schwerfallen, sie unter Kontrolle zu halten– beim ersten Anzeichen eines Wutausbruchs wird er einknicken. Er hat Galen bereits darauf hingewiesen, dass sie im Prinzip ihre zukünftige Königin ist und er sich gut mit ihr stellen will. Es hat sogar einen königlichen Befehl gebraucht, um Toraf zum Dableiben zu zwingen. Auf diese Weise wird er nicht in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, wenn Rayna die Annullierung ihres Siegels verlangt. Während er sich nun dem Rand des alten Minenfeldes nähert, beschließt Galen, sich für Toraf einzusetzen. Rayna wird fuchsteufelswild werden– genau wie Emma in dieser Sache–, aber das ist das Mindeste, was er für seinen Freund tun kann.
Die Minen machen ihn nervös. Das haben sie schon immer. In diesem Teil des Hoheitsgebietes von Triton gibt es schon lange keine Fische und Pflanzen mehr. Soweit Galen weiß, ist Grom sogar der letzte Besucher, den dieser gespenstische Ort noch nicht in die Flucht geschlagen hat. Löcher, groß genug, um ein Fischerboot zu verschlucken, durchziehen den Meeresboden seit den Detonationen. Der Schlamm um jedes Loch herum ist von einer dunkleren Farbe, als hätte die Explosion ihren Schatten zurückgelassen. Nur zwei der vielen Hundert Bomben sind noch übrig, unversehrt, aber unbrauchbar und machtlos, wie ein stilles Mahnmal, das daran erinnert, was hier einst verloren gegangen ist. Mit Nalias Tod haben die Syrena mehr verloren als nur eine zukünftige Königin. Sie haben ihre Einigkeit verloren. Sie haben ihr Vertrauen verloren. Sie haben ihr Vermächtnis verloren. Und vielleicht haben sie sogar ihre Fähigkeit zu überleben verloren.
Galen schaudert, als er an einer der maroden Bomben vorbeikommt. Mit einer Kette am Boden verankert, treibt die Metallkugel ungestört, von Rost zerfressen und von den Menschen zurückgelassen, im Wasser. Nach der Explosion, die Nalia das Leben kostete, hatten sie ein paar halbherzige Nachforschungen schnell wieder eingestellt. Als wären die Narben im Schlamm nicht genug.
Als er seinen Bruder sieht, ruft er nach ihm, obwohl er weiß, dass Grom ihn schon gespürt hat, bevor er das Minenfeld betrat. Grom schwebt mit vor der Brust verschränkten Armen über der tiefen Felsschlucht hinter den Minen. » Wie es scheint, habe ich deine
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