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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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ich sah, wie der Ausdruck sich wandelte, nicht länger verächtlich oder spöttisch war, sondern gierig. Seine dunklen Augen glänzten.
    »Na also!«, stieß er triumphierend aus.
    Langsam drehte ich mich um, aber ich wusste schon, wer da kam, noch ehe Caspar es schadenfroh verkündet hatte. Ich hatte so sehr gehofft, sie würden der Gefahr fernbleiben, doch nun, als Nathan und Cara auf uns zuliefen und ich Nathans sorgenvollen Blick erwiderte, durchflutete mich Wärme, fühlte ich mich einen kurzen Augenblick lang nicht der drohenden Tiefe ausgeliefert. Ich versank in Nathans blauen Augen, fühlte mich ihm kurz so nah, dass ich ihn zu spüren glaubte – seine feinen Hände auf meinem Gesicht, seinen sehnigen Körper warm und beschützend an meinen gepresst, seinen Herzschlag im selben Takt wie meiner. Niemand und nichts konnte mir mein Glück nehmen: Seine bedingungslose Liebe, seinen festen Willen, mich vor allem Bösen zu bewahren, die Gewissheit, dass ich – selbst wenn ich hier sterben musste – mit ihm versöhnt, von ihm geliebt und selbst voller Liebe von dieser Welt gehen konnte. Der Tod verlor an Schrecken. So aussichtslos meine Lage war, so konnte ich doch an der Überzeugung, dass er und ich zusammengehörten, festhalten. Ich spürte die Hoffnung in mir, dass nichts uns trennen konnte, das Vertrauen, dass alles irgendwie doch noch gut werden würde.
    Als sich Nathans Blick von mir löste und er zu Caspar hinübersah, schwand die Wärme wieder, doch die Erleichterung blieb – Erleichterung auch darüber, Aurora nicht bei ihnen zu sehen.
    Ich hatte keine Ahnung, wo sie sie versteckt hatten, konnte mir nicht einmal sicher sein, ob sie tatsächlich in Sicherheit war, und doch wusste ich instinktiv, dass es ihr gut ging, zumindest in diesem Moment.
    Die letzten Schritte legten Cara und Nathan so schnell zurück, dass ich ihnen kaum mit den Augen folgen konnte. Und auch was geschah, als sie die Anhöhe erreichten, vollzog sich in einem Tempo, das mich überforderte. Ich hatte ihre Schwerter noch nicht wahrgenommen, als sie bereits Caspars Kreaturen damit angriffen. Eben noch raschelte das Gras unter ihren Füßen, dann standen sie schon wieder auf nacktem Fels – nein, standen nicht, wirbelten vielmehr herum, geschmeidig und flink. Jetzt hörte ich ein Zischen, so durchdringend, dass ich glaubte, es würde meinen Kopf zum Platzen bringen.
    Im nächsten Augenblick lagen zwei der schwarzen Gestalten, die Nele hierherverschleppt hatten, mit merkwürdig verdrehten Armen auf dem Boden. Ich starrte sie verwirrt an, ehe ich begriff, dass ihre Köpfe abgeschlagen worden waren und blaues Blut aus ihren Kehlen sickerte.
    Ich war erstaunt, wie schnell es Nathan und Cara gelungen war, diese Kreaturen auszuschalten. In mir erwachte Hoffnung. Wenn sie die beiden so mühelos besiegt hatten – vielleicht konnten sie mit vereinten Kräften auch Caspar unschädlich machen, konnten mich befreien, konnten Nele von hier fortbringen … Gerade beugte sich Cara über Nele. Sie fühlte ihr den Puls, nickte Nathan zu, zum Zeichen, dass sie noch lebte.
    Ja, sie lebt … sie ist tatsächlich nur ohnmächtig … alles wird gut …
    Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Als ich in Caspars Gesicht blickte, kehrte all das Entsetzen zurück.
    Er schien nicht im Geringsten darüber beunruhigt zu sein, dass er zwei seiner Mitstreiter verloren hatte. Offenbar waren es die schwächsten gewesen, auf die er verzichten konnte und deren Verlust er lange zuvor einkalkuliert hatte. Dröhnend lachte er auf. Es war mir, als würde ich diesen Laut nicht nur hören, sondern als würde er über meinen Körper schwappen wie eine kalte Welle, ihn durchdringen, jede Faser und Pore mit Grauen erfüllen und verkleben.
    »Gut«, stellte er fest, »ihr habt euch bereits warm gekämpft.«
    Nathan trat langsam auf ihn zu, blieb nur wenige Schritte vor ihm stehen. Sein Gesicht war ohne Regung, aber ich sah, wie seine Hände leicht zu zittern begannen. Ich fühlte nun auch die Anspannung, die zwischen ihnen aufloderte, fast körperlich. Schon bei ihrem Kampf in Caras Garten hatte es sich angefühlt, als sei die Luft elektrisch geladen; jetzt schienen Hass und Ablehnung, die sie füreinander empfanden, wie Blitze hin und her zu schießen. Das Licht der Sonne war nicht mehr warm, nicht mehr hell und freundlich, sondern glich dem kalten Schein einer Neonlampe.
    Als Nathan zu sprechen begann, hatte seine Stimme wenig Vertrautes – sie war hart und distanziert, frei

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