Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
Vom Netzwerk:
von dem Raunen, das stets meine Seele berührt hatte, frei auch von der Wärme, die von sanfter Melancholie zeugte.
    »Du warst nie darauf aus, mit mir zu kämpfen. Warum jetzt? Hast du all das jahrelang heimtückisch geplant?«
    Das Lächeln war von Caspars Lippen verschwunden; anstelle von Vergnügen breitete sich tiefe Genugtuung auf seinem Gesicht aus. »Du hast recht. Ich habe dich gemieden. Doch das bedeutet nicht, dass ich ein Feigling bin. Vielleicht habe ich mich einmal als solcher erwiesen – damals, als ich es versäumte, Serafina zu rächen. Aber ich werde kein zweites Mal zulassen, dass du mir nimmst, was mir gehört.« Er machte eine kurze Pause. »Und sei ehrlich, Nathan: Willst du nicht auch endlich eine Entscheidung zwischen uns herbeiführen? Wie lange kreuzen sich nun schon unsere Wege? Und hast du mein Gesicht nicht ebenso satt wie ich deines? Am Ende dieses Kampfes wird es nur noch einen von uns auf dieser Welt geben. Dich oder mich.«
    »Wenn du es sagst«, gab Nathan ausdruckslos zurück. »Aber etwas solltest du wissen. Selbst wenn du mich besiegst, wirst du Aurora nicht bekommen.«
    Ich hielt den Atem an, als der Name meiner Tochter fiel.
    »Denn die wirst du nicht finden«, schaltete sich Cara ein und trat nun ebenfalls näher, »wir haben sie an einem sicheren Ort versteckt. Selbst wenn es Nathan nicht mehr geben sollte – ich würde nie zulassen, dass sie in deine Hände fällt!«
    Drohend hatte sie ihr Schwert gehoben, doch Caspar zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Er lachte auf, und ich sah, wie Caras grüne Augen unter seinem dunklen Blick aufleuchteten.
    »Ich habe es in erster Linie auf Nathan abgesehen, nicht auf dich«, erklärte er und wurde wieder ernst. »Glaub nicht, dass ich keinen Spaß daran hätte, gegen dich zu kämpfen, liebste Cara. Serafina hat dich immer gehasst, und ich weiß, dass auch du deine Hände im Spiel hattest, damals … Aber ich bin kein Monster. Wenn du dich in Sicherheit bringen willst – jetzt hast du die Gelegenheit dazu.«
    Cara schüttelte wütend den Kopf. Sein Angebot verwirrte sie nicht – ganz anders als mich. Dass Nathan und Caspar alte Feinde waren, wusste ich, und ich war überzeugt gewesen, dass Caspar auch Cara zutiefst verachtete. Und doch bot er ihr nun die Möglichkeit zu fliehen – der Nephila mit den seltenen grünen Augen, die als einzige Nathan treu zur Seite stand und alles daransetzte, Aurora vor Caspar zu schützen.
    Mein verunsicherter Blick war Caspar nicht entgangen, denn erstmals wandte er sich wieder an mich. »Ja, ich bin kein Monster«, wiederholte er spöttisch. »Wenn Cara das Schwert nicht gegen mich erhebt, werde ich ihr nichts tun. Sie hat meine Rache genauso verdient wie Nathan. Doch manchmal sollte man Gnade vor Recht ergehen lassen, nicht wahr … Schwesterherz?«
    Als er die letzten Worte sagte, vollführte er eine leichte Verbeugung in ihre Richtung.
    Ich fuhr herum, blickte in Caras grüne Augen, sah ihre Miene von Gefühlen bewegt, die mir an ihr fremd waren. Sie hatte immer in sich geruht, hatte eine Gelassenheit verbreitet, die jedes aufgewühlte Gemüt beschwichtigen konnte. Nun las ich in ihrem Gesicht tiefe Verlegenheit und Scham.
    »Cara … «
    »Das ist richtig«, bestätigte sie nach kurzem Zögern, »ich bin Caspars Schwester.«
    Meine Verwirrung wuchs.
    Nathan hatte mir erzählt, dass Cara zu den wenigen Ausnahmen gehörte, die sich der eigenen Bestimmung widersetzten – ihre grünen Augen waren der sichtbare Beweis – und die die starre Grenze zwischen Wächtern und Schlangensöhnen überwanden! Doch nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass sie mit Caspar verwandt war, nie war mir aufgefallen, wie ähnlich ihre Namen klangen!
    Cara und Caspar.
    Sie sah mich an. »Unsere Mutter«, begann sie zu erzählen, »war eine der Auserwählten. Sie hat meinen Vater geliebt, und sie hat hingenommen, wer er war … was er war. Doch gutgeheißen hatte sie seine Taten nie. Sie konnte ihn nicht davon abhalten, Menschen zu töten, sie hat es nicht einmal versucht – dazu war sie zu schwach. Aber sie war sich immer bewusst, dass er böse war, und sie hat sich ihre Liebe für das Schöne, Wahre und Gute nie von ihm nehmen lassen.«
    Caspar lachte wieder auf, aber es klang nicht mehr ganz so selbstbewusst. Einen kurzen Moment lang waren seine Augen so ernst und traurig wie die seiner Schwester, verrieten von diesem Erbe in ihm, wenn es auch nicht so stark pochte wie in Cara, die die Seiten gewechselt

Weitere Kostenlose Bücher