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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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weither vernahm ich die Diskussion zwischen Nathan und einer Krankenschwester. Sie schlug vor, dass ich in einem Besucherzimmer schlafen könne – hier auf der Intensivstation dürfe ich über Nacht nicht bleiben. Irgendwann hörte sie jedoch auf zu protestieren. Vielleicht hatte ein glühender Blick aus Nathans blauen Augen genügt, um sie umzustimmen.
    Drei Tage vergingen.
    Vor dem Eingang zur Intensivstation führte Nathan mehrmals hitzige Diskussionen – vor allem mit den Polizeibeamten, die mich unbedingt befragen wollten. Ich weiß nicht, ob wieder ein Blick aus seinen blauen Augen genügte – doch irgendwie gelang es ihm, meine Befragung aufzuschieben. Die Einzige, vor der er mich nicht abschirmen konnte oder wollte, war Nele. Eines Tages stand sie in Auroras Krankenzimmer, etwas magerer und bleicher als sonst, von blauen Flecken und Kratzern übersät, der Ausdruck ihres Gesichts zugleich verwirrt, ehrlich besorgt und entsetzt – über Auroras Zustand ebenso wie über das, was sie hatte durchstehen müssen. Ich erhob mich langsam, fühlte, wie Blut in meine Beine sackte und diese zu kribbeln begannen. Eine Weile standen wir uns nur schweigend gegenüber, der Selbstverständlichkeit und Leichtigkeit beraubt, uns wie gute Freundinnen einfach zu umarmen. Ich war froh, sie zu sehen und auch, dass es ihr gutzugehen schien – das erste warme Gefühl, das neben meiner Angst um Aurora bestehen konnte –, aber zugleich fühlte ich eine unüberbrückbare Distanz zwischen uns klaffen, ihr tiefes Befremden und mein Unvermögen, es durch Erklärungen auszuräumen. Was wusste sie? Was dachte sie von mir?
    »In was bist du nur hineingeraten?«, murmelte sie schließlich kopfschüttelnd und wich meinem Blick aus. Erst jetzt nahm ich Nathan an der Tür wahr.
    »Ich habe ihr alles erklärt«, sagte er und gab mir zugleich ein Zeichen, die Worte nicht misszuverstehen. Scheinbar hatten sich Cara und er eine Geschichte ausgedacht, die für Nele und alle anderen nachvollziehbar war, aber die mit der Wahrheit nicht viel zu tun hatte. Ich sagte nichts: Zum einen, weil ich nicht wusste, was, zum andern, weil die Sorge um Aurora mich zu kraftund hilflos machte, um auch noch um die Freundschaft mit Nele kämpfen zu können. Immerhin war es die Sorge, die uns vereinte. Nele blieb zwar mir gegenüber auf Abstand, aber beugte sich jetzt über Aurora. Kein Vorwurf war mehr in ihrem Blick, nur Kummer.
    »Aber … aber sie wird doch wieder zu sich kommen?«, fragte sie. »Und sie wird doch dann wieder ganz gesund sein?«
    Ich rang hilflos meine Hände. »Das hoffen wir«, sagte Nathan leise.
    Nele ignorierte ihn. Offenbar scheute sie sich davor, mich zu fragen, warum er wieder in meinem Leben aufgetaucht war.
    »Wie lange … wie lange warst du im Krankenhaus?«, fragte ich unsicher.
    Immer noch blickte sie an mir vorbei. »Nur kurz … zwei Tage … bin wieder nach Salzburg zurückgekehrt … wollte nach Aurora sehen.«
    Bei diesen Wortfetzen blieb es.
    »Ich … ich melde mich, wenn es etwas Neues gibt«, murmelte ich. Sie nickte, strich über Auroras Gesicht, wandte sich dann zur Tür, um so grußlos zu gehen, wie sie gekommen war.
    »Nele!«, rief ich ihr nach. Sie blieb stehen, aber drehte sich nicht um. »Nele, es tut mir leid!«
    Ich wusste nicht genau, wofür ich mich entschuldigte – nur, dass es mir in der Seele wehtat, dass die vergangenen Ereignisse auf unsere Freundschaft solch dunkle Schatten warfen.
    »Schon gut«, murmelte sie und ging.
    Nathan kam zu mir. »Ich habe ihr erzählt, dass … «
    »Nicht!« Ich hob abwehrend die Hände, schüttelte erschöpft den Kopf. »Nicht jetzt! Erzähl es später!«
    Ich war nicht in der Lage, ihn anzuhören und mir weitere Gedanken über Nele zu machen. Es ging ihr gut, das war das Wichtigste, doch kaum war sie gegangen, war meine ganze Welt, mein ganzes Denken und Fühlen wieder ausschließlich auf Aurora ausgerichtet.

    Stunde um Stunde verrann. Ich hielt Auroras Hand – verschwindend klein in meiner eigenen, so alabastern, so weich, ich drückte sie und versuchte, ihr all meine Kraft zu geben, beschwor sie innerlich, dass sie nicht aufgeben durfte.
    Am vierten Tag entschied der Arzt, sie aus dem künstlichen Koma zu holen. Ich wusste nicht, was ihr gegeben wurde, nur, dass nach einer Weile ihre Lider zu zucken begannen. Bis jetzt hatte ich es verzweifelt gehofft, nun wusste ich es plötzlich: Es würde alles gut werden – genauso wie Nathan prophezeit hatte.
    Sie wirkte so

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