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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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beiden Polizisten und auch, wie sie plötzlich stehen blieben. Ich beugte mich über das Treppengeländer.
    »Hier bin ich! Sophie Richter!« Meine Stimme klang piepsend. »Ich habe vorhin angerufen.«
    Ein stämmiger Beamter blickte zu mir hoch, der andere hatte sich über etwas gebeugt und schien es eingehend zu betrachten.
    »Wie merkwürdig«, hörte ich ihn sagen. »Es ist so … dunkel. Das sollte sich mal die Spurensicherung ansehen.«
    Ich schlüpfte in meine Hausschuhe und lief ihnen entgegen. Als ich sie erreicht hatte, kramte der Stämmige in seiner grünen Uniform und förderte ein Handy zutage, das ziemlich groß und altmodisch aussah.
    »Ob das etwas mit den Morden beim Untersberg zu tun hat?«, fragte der andere indessen nachdenklich.
    »Morde?«, fragte ich fassungslos.
    »Nicht so wichtig«, erklärte der Dicke knapp und ließ seinen Blick über mich gleiten. »Sie sind Sophie Richter?«
    Es war eine ganz normale Frage, dennoch machte sie mich augenblicklich so nervös, als würde ich eine Prüfung ablegen müssen. »Ja«, stammelte ich. »Ja, ich habe angerufen, als ich diesen Lärm hörte … «
    »Welchen Lärm?«
    »Ich kann es nicht genau beschreiben. Es klang sehr merkwürdig, wie ein … Klirren. So als würde Geschirr zerschlagen, aber … «
    Ich hielte inne, als ich bemerkte, wie die beiden einen mehr als skeptischen Blick tauschten. Glaubten sie mir nicht? Hielten sie mich für hysterisch?
    In diesem Augenblick fühlte ich mich tatsächlich selbst so.
    »Diese Morde beim Untersberg … «, setzte ich nervös an, »ich habe davon gar nichts gewusst.«
    »In den letzten Wochen sind einige Wanderer verschwunden.« Es war der andere Beamte, der etwas Steifere, Höflichere, der mir antwortete. »Man fand sie erst viel später und … «
    » Einige Wanderer?«, unterbrach ich ihn entsetzt.
    »Ganz offensichtlich sind sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Sie wurden … « Diesmal war es nicht ich, die ihn unterbrach, sondern sein Kollege. Er wirkte missmutig.
    »Das tut hier nichts zur Sache«, bellte er. »Außerdem können Sie das in jeder Zeitung nachlesen. Die Journaille befasst sich seit Tagen mit nichts anderem. Erzählen Sie uns lieber mehr von dem, was Sie gehört haben!«
    »Tja nun … «, setzte ich an – und verstummte.
    Mein Blick war auf das gefallen, was die beiden vorhin aufgehalten hatte. Über den grauen Linoleumboden und einen Teil der hellen Wand zog sich eine schmale Blutspur. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass sie aus vielen kleinen Tropfen bestand. Das Blut war jedoch nicht hellrot, sondern dunkel, fast schwarz, als wäre es stundenlang in gleißender Sonne getrocknet.
    »Mein Gott!«, rief ich entsetzt.
    »Nun, kommen Sie.« Der Höfliche nahm mich sanft am Arm und zog mich nach oben. »Wir reden in Ihrer Wohnung darüber.«

    Im Laufe des Vormittags kamen weitere Beamte, um die Blutspur zu untersuchen. Als ich später mit einem von ihnen sprach, war von einem Zusammenhang mit der Mordserie keine Rede mehr. Wahrscheinlich, so lautete stattdessen die Vermutung, waren zwei betrunkene Obdachlose mit leeren Bierflaschen aufeinander losgegangen; einer hatte den anderen verletzt, dann waren sie beide geflohen. Alle Bewohner des Hauses wurden befragt, doch da niemand meine Aussage ergänzen konnte, wurde der Fall nicht weiterverfolgt.
    Nele war verärgert, als ich ihr davon erzählte. »Weil diese Idioten nie die Haustür richtig ins Schloss ziehen! Stell dir vor, du kommst mal spät abends nach Hause und stolperst über einen Besoffenen!«
    Eine Weile erging sie sich in wilden Phantasien, was ihr alles hätte zustoßen können. Dass mir selbst der Schreck in allen Knochen saß, kommentierte sie nur beiläufig: »Du siehst schrecklich aus.«
    »Hast du von dieser Mordserie rund um den Unterberg gehört?«, fragte ich.
    Sie verdrehte die Augen. »Davon hat jeder gehört, der nicht gerade blind vor Liebe durchs Leben rennt. Es sind ein paar Leute verschwunden, und man hat sie erst einige Wochen später wiedergefunden – ermordet.«
    Ich fröstelte immer noch, obwohl ich mir mittlerweile zwei Jacken übereinandergezogen hatte. »Wie?«
    »Wie man sie gefunden hat?«
    »Nein! Wie man sie ermordet hat!«
    Nele zuckte mit den Schultern. »Offenbar hat man ihren Brustkorb aufgeschnitten und ihnen das Herz herausgerissen. Aber da waren sie wohl schon tot. Wahrscheinlich ein Ritualmord.« Sie klang nicht entsetzt – eher fasziniert, so als fasse sie den Inhalt

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