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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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nicht verbieten, in diesen blauen Augen zu versinken, besorgt, traurig … voller Liebe.
    »Fass mich nicht an!«, zischte ich erneut, und kaum einen Wimpernschlag später war seine Miene verhärtet, ausdruckslos und unnahbar geworden.
    »Es tut mir leid«, er sprach zu mir wie ein Fremder, »ich wollte dir nicht zu nahe treten … ich habe nur … «
    »Was ist geschehen? Was hast du da draußen im Garten getan? Warum hast du mit Caspar …?«
    Ich konnte diesen Kampf nicht in Worte fassen, zu absurd erschien er mir rückblickend, zu verrückt!
    Flüchtig huschte ein besorgter Ausdruck über sein Gesicht, doch dann fragte er mit kühler Stimme: »Welcher Caspar?«
    »Caspar von Kranichstein!«, schrie ich. »Er … er hat mich bedroht!«
    Nathan war von mir abgerückt und aufgestanden. Kurz glaubte ich wahrzunehmen, dass seine Hände zitterten, doch rasch steckte er sie in die Hosentaschen. »Wovon redest du nur?«, fragte er kopfschüttelnd. »Ich kenne keinen Caspar von Kranichstein.«
    Mein Blick glitt über seine Gestalt, doch ich entdeckte nicht das geringste Zeichen des Kampfes. Er war blass wie immer, seine Haut an keiner Stelle gerötet oder verletzt. Seine dunkle Kleidung war frei von Schmutz oder Rissen, seine Bewegungen geschmeidig.
    »Caspar von Kranichstein … und du … ihr seid mit Schwertern aufeinander losgegangen.« Jetzt endlich konnte ich es aussprechen, so merkwürdig es auch klang! Ich war mir sicher, genau das gesehen zu haben, obwohl Nathan nun mit verschlossener Miene behauptete: »Das musst du geträumt haben.«
    »Wann soll ich das denn geträumt haben?«
    »Ich habe dich vorhin gefunden. Ganz zufällig. Du lagst im Garten.«
    »Warum sollte ich … «
    »Offenbar bist du ausgerutscht, als du mich gesucht hast«, unterbrach er mich. »Du bist hingefallen, hast dir den Kopf gestoßen und bist kurz ohnmächtig gewesen.«
    Unwillkürlich griff ich mir an den Nacken und fühlte aufgeschürfte Haut und eine Beule, doch so logisch seine Worte auch klangen – ich war mir sicher, dass er log und dass meine Verletzung von etwas anderem herrührte als von einem Sturz.
    »Ich habe gesehen, was ich gesehen habe«, erklärte ich stur. Langsam erhob ich mich, vorsichtig darauf bedacht, meinen Kopf nicht zu abrupt zu bewegen. Dennoch hatte ich das Gefühl, ein glühendes Messer würde in meinen Nacken schneiden.
    »Sophie, das ist doch lächerlich! Du willst mir doch nicht ernsthaft sagen … « Er brach ab, als seien meine Worte es nicht mal wert, auch nur wiederholt zu werden.
    Eine Weile standen wir schweigend voreinander, starrten uns an. Jetzt erst fiel mir der Anlass ein, warum ich überhaupt zu ihm gekommen war. Wegen Aurora … weil sie Cello gespielt hatte … so meisterhaft, als habe sie es jahrelang geübt.
    Doch wenn ich ihn nun darauf anspräche – was würde er wohl sagen? Dass ich auch das nur geträumt oder mir eingebildet hatte?
    Ich öffnete meinen Mund, aber schloss ihn gleich wieder.
    Es war genug.
    Ich würde mich von ihm nicht für dumm verkaufen lassen.
    Wenn er nicht bereit war, irgendetwas zu sagen, musste ich eben andere Mittel und Wege suchen, um etwas herauszufinden. Blitzschnell war mir eine Idee gekommen, und genauso schnell hatte sich ein Plan daraus entwickelt.
    Ich sah zu Boden, denn es fiel mir leichter, zu lügen, wenn ich nicht dem Blick seiner blauen Augen standhalten musste.
    »Es war dumm von mir, hierherzukommen«, murmelte ich. »Ich dachte … ich dachte, wir sollten … Nach all der Zeit wäre es klug, wenn … Aber es ist lächerlich zu glauben … Ich weiß auch nicht, was … « Mein Gestammel machte keinen Sinn, doch er hinterfragte es nicht.
    »Kann ich … kann ich ein Glas Wasser haben?«, fragte ich unvermittelt.
    Er nickte, schien gleichzeitig verwirrt, aber auch erleichtert, dass ich diese banale Bitte an ihn richtete.
    Die Zeit, in der er kurz den Raum verließ, in der Küche nach einem Glas suchte und das Wasser einschenkte, nutzte ich, um in meiner Jackentasche nach meinem Handy zu kramen, eine Taste zu drücken und es unter einem der Polster zu verstecken.
    Wenig später kam er mit dem Glas Wasser zurück, doch ich nahm es nicht entgegen, sondern hob abwehrend die Hände.
    »Ich will doch kein Wasser mehr, und eigentlich will ich auch nicht länger bleiben«, meine Stimme klang kalt. »Es war ein Fehler, überhaupt hierhergekommen zu sein. Ich werde dich nicht länger belästigen.«
    Die Hand, mit der er das Glas hielt, zitterte wieder kaum

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