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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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merklich. Konnte es sein, dass seine Beherrschung Sprünge bekam? »Sophie, ich … «
    »Nein!«, fiel ich ihm ins Wort. »Vielleicht hast du recht, und ich bin tatsächlich ausgerutscht und gestürzt. Ich glaube, es ist besser, ich lege mich ins Bett. Ich habe Kopfschmerzen, und mir ist etwas schwindlig.«
    »Sophie, ich möchte wirklich nicht … «
    Ich wartete seine Antwort nicht ab, sondern stürmte hinaus. Er folgte mir bis in den Flur, aber nicht weiter.
    Seufzend blieb ich im Freien stehen. Die schneidende Nachtluft ließ mich frösteln, doch es war nicht ihre Kälte, die mir zusetzte; es war das Unbehagen, das ich spürte, als ich vorsichtig in den Garten spähte und nach Spuren des Kampfes suchte. In der Dunkelheit konnte ich nicht genau erkennen, ob der Rasen niedergetreten war. Als ich mich langsam zur Hecke vortastete, stolperte ich fast über einen dunklen Gegenstand. Schmerzhaft rammte er sich mir ins Schienbein, und ich fluchte – weniger vor Schmerz, als vor Schrecken. Rasch blickte ich in alle Richtungen, hatte plötzlich das Gefühl, dass irgendjemand mich beobachtete und mich absichtlich in dieses Hindernis hatte laufen lassen.
    Doch dann erkannte ich, dass es nur der Cellokasten war, den ich selbst hier abgestellt hatte. Ich nahm ihn, trug ihn zum Auto, setzte mich hinein, aber anstatt zu starten und wegzufahren, wartete ich eine Weile.
    Langsam zählte ich im Stillen bis Hundert.
    Jetzt musste genügend Zeit vergangen sein, dachte ich.
    Ich stieg aus, schloss die Tür sehr geräuschvoll und ersparte mir damit, ein zweites Mal zu läuten. Nathan erwartete mich an der geöffneten Haustür und starrte mich verwundert an.
    »Sophie … «
    »Keine Angst, ich bin gleich weg. Aber ich finde mein Handy nicht, es muss mir aus der Tasche gerutscht sein. Ich will es nur schnell suchen.«
    Forsch drängte ich mich an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Eine Weile tat ich so, als würde ich das Handy in den Ritzen des Sofas suchen, um es dann, wie zufällig, unter dem Kissen zu entdecken.
    »Da ist es ja!« In meinen Ohren klang meine Stimme künstlich, aber Nathan schien nicht darauf zu achten. Er lehnte im Türrahmen.
    »Soll ich dich vielleicht heimbringen?«, fragte er. »Ich meine … wegen deiner Kopfschmerzen … «
    Von seiner abweisenden Kälte war nichts mehr zu spüren. Vielleicht war er jetzt ebenso verlogen wie ich mit meiner Geschichte vom verlorenen Handy. Ähnlich wie der Klang eines Cellos beschwor diese Nuance seiner Stimme – zärtlich und traurig zugleich – eine ganze Welt herauf. Salzburg, Frühling, die Musik, die Spaziergänge, die Steinterrasse, die Hecken im Mirabellgarten.
    Ich schüttelte unwirsch den Kopf. Was immer hier vorging – ich würde es nicht herausfinden, wenn ich mich von nostalgischen Gefühlen blenden ließ.
    Es war genug, ging es mir wie vorhin durch den Kopf.
    Ich würde mich von ihm nicht länger für dumm verkaufen lassen. Und von Cara auch nicht.
    Dass sie – anders als Nathan – schon mehrmals versucht hatte, mir alles zu erklären, hatte ich gar nicht wahrgenommen.
    »Mach dir keine Mühe.«
    Rasch ging ich an ihm vorbei. Er hielt mich nicht auf.
    Wenig später fuhr ich los und hielt gleich nach zweihundert Metern wieder an. Ich stoppte auf einem der vielen Parkplätze für Touristen – tagsüber überfüllt, jetzt halbleer. Die meisten Häuser in der Nähe waren dunkel; nur aus manchen Wohnzimmern drang das bläuliche Licht der Fernseher.
    Meine Hände zitterten, als ich nach meinem Handy kramte und wieder einige Tasten drückte. Anders als Nele nutzte ich mein Handy zum Telefonieren – nicht zum Fotografieren oder Musikhören wie sie. Aber Nele hatte mir bei Auroras siebtem Geburtstag gezeigt, was ich mit meinem Handy alles machen konnte. Auf diese Weise hatten wir ein Lied, das Aurora in der Schule einstudiert hatte, aufgenommen.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich vorhin alles richtig gemacht hatte, aber als ich die Aufnahme der letzten Minuten abhörte, gab es zumindest ein Rauschen. Es schien also funktioniert zu haben – blieb nur die Frage, ob Nathan tatsächlich gleich mit Cara telefoniert hatte, um ihr zu berichten, was geschehen war, und um ihr zu sagen, dass ich nun auf dem Weg nach Hause sei. Das zumindest hoffte ich.
    Die Aufnahme war etwa acht Minuten lang. Während der ersten sieben blieb es beim Rauschen, dann, als ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte, vernahm ich ganz leise, wie von unendlich weit her, Nathans Stimme.
    Also doch. Wie ich

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