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Der Kuss des Morgenlichts

Der Kuss des Morgenlichts

Titel: Der Kuss des Morgenlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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das Klirren abriss.
    »Sophie!«
    Es war Nathan, der meinen Namen gerufen hatte, doch als ich die Augen öffnete, war es nicht er, der auf mich zustürmte, sondern Caspar. Sein Gesicht glänzte im Mondlicht weiß; sein Mund war zu einem Grinsen verzerrt. Er kam mit erhobenen Händen, die Klinge des Schwertes blitzte auf. Ich wollte mich nicht kampflos ergeben, sondern versuchte mich zu ducken, aber ich ahnte, dass mir Kraft und Wendigkeit fehlen würden, um ihm auszuweichen.
    Das Schwert sauste auf mich herab; ich war sicher, es würde mir gleich den Schädel spalten, doch nur wenige Zentimeter, bevor es mein Gesicht traf, hielt es inne.
    Caspars Grinsen wurde noch breiter. Er wirkte nicht länger bedrohlich, eher wie ein frecher Junge, der bloß sein liebstes Spielzeug vorführen will und sich köstlich amüsiert, weil man ihn ernst nimmt.
    Ich sah, wie er den Mund öffnete, etwas sagen wollte, doch noch ehe die ersten Laute meine Ohren erreicht hatten, tauchte ein dunkler Schatten hinter ihm auf. Caspar wich zur Seite. Ich wollte diesen Augenblick nutzen, um an ihm vorbeizuhuschen und zu fliehen, aber gerade als ich aufspringen wollte, traf mich ein Schlag auf den Kopf. Die ganze Welt drehte sich, ich wusste nicht mehr, wo oben oder unten war, ob ich gegen die Wand gepresst stand, auf ihr lag oder sie auf mir. Mir wurde schwarz vor den Augen.

VII .
    Ein sachtes Schaukeln weckte mich, und als ich mit den Augen blinzelte, war ich mir sicher, in einem Boot zu liegen, das nachts herrenlos auf einem dunklen See trieb.
    Weit weg vom Ufer … auf abgründig tiefem Wasser … Wellen klatschen gegen den Bug … meine Hand hängt über der Reling und streift die kühle Oberfläche … über mir nichts als der Sternenhimmel …
    Doch als ich die Augen schließlich aufschlug, wurden aus dem Sternenhimmel zwei Lampen. Eine leuchtete mich direkt von der Decke aus an; das Licht der anderen strahlte von der Seite in mein Gesicht. Sie stand auf einem Schrank direkt neben dem Sofa … ja … ein Sofa, so viel bequemer und weicher als das harte Holz eines Bootes. Vor allem das Kissen war weich, aber nein, es war kein Kissen, es bewegte sich sachte. Vielleicht kam daher der Eindruck, zu schaukeln. Plötzlich konnte ich Atemzüge hören – waren es meine eigenen? In jedem Fall waren es nicht meine Finger, die über mein Gesicht streichelten, zärtlich und liebevoll. Eben noch hatte ich mich auf dem dunklen, tiefen See einsam gefühlt, verloren, ausgeliefert, nun flutete Wärme durch meinen starren Körper, breitete sich Wohlbehagen aus. Ich schloss die Augen wieder, gab mich ganz der Berührung dieser Hände hin. Meine Haut schien unter ihnen zu schmelzen und gab den Weg in mein Innerstes frei, wo verborgene Gefühle geweckt und Erinnerungen belebt wurden. Erinnerungen an Liebe, an Leidenschaft, an Lust – hingebungsvoll, bedingungslos.
    Ich hätte nicht zu sagen gewusst, wann ich mich das letzte Mal so geborgen gefühlt hatte, nicht von Sorgen um Aurora gequält, nicht vom Zwang bestimmt, stark sein zu müssen, für sie und für mich selbst. Ja, ich musste das Leben anpacken, fest und mit beiden Händen, durfte die Kontrolle nicht abgeben, mir keine Schwäche erlauben, mich nicht fallen lassen und einfach liegen bleiben … so wie ich jetzt lag, befreit davon, Entscheidungen zu treffen und sie umzusetzen.
    Ich seufzte. Alles war so warm … so unbeschwert … so gut … Alles war so licht und so leicht, eigentlich lag ich nicht, sondern schwebte, in berauschende Sphären, wo nur die Musik zählte, von den gleichen Händen hervorgebracht, die mich nun streichelten, Nathans Händen, die Hände meines Geliebten …
    »Sophie … ach Sophie.«
    Es war nur ein Raunen, das ertönte, aber diese zaghafte Stimme brachte mit einem Schlag ein Bild zurück – wieder sah ich den Kampf von Nathan und Caspar, wie sie mit Schwertern aufeinander losgegangen waren, Caspars maskenhaftes Grinsen, als er mit erhobenem Schwert auf mich zugekommen war, bereit, meinen Kopf zu spalten.
    Ich fuhr hoch und bemerkte, dass ich die ganze Zeit über nicht auf einem Kissen, sondern auf Nathans Schoß gelegen hatte. Seine Hand, die eben noch mein Gesicht berührt hatte, zuckte zurück. Die Wärme schwand augenblicklich, die Geborgenheit, die Hingabe.
    »Fass mich nicht an!«
    Erst jetzt durchzuckte mich ein Schmerz. Wenn mich auch Caspars Schwert nicht getroffen hatte, was war es dann gewesen? Etwa seine Faust?
    Nathan blickte mich an, und kurz konnte ich mir

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