Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Satyrs

Der Kuss des Satyrs

Titel: Der Kuss des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
Vom Netzwerk:
zuvor?
    Was würde er tun, wenn er ihr Geheimnis entdeckte? Wenn er herausfand, was sie war? Würde er sie verstoßen? Sie aus seinem Haus werfen?
    Ihre Tante würde keine Ruhe geben, bis er ihr sagte, warum er es getan hatte. Ihr vernichtender Blick würde dann Emma treffen. Janes Herzschlag setzte kurz aus und raste dann weiter.
    Sie durfte nicht wieder mit ihm verschmelzen. Sie musste so tun, als wäre heute Nacht nie passiert, und musste weiter vor ihm verbergen, in was sie sich verwandelte. Nur so konnte sie Emma beschützen.
    Ihr Nähkorb. Sie fand ihn auf der Frisierkommode und holte eine Schere heraus.
    Sie musste sich ganz schön verdrehen, um im Spiegel die kurzen Flügel zu sehen, die sich zierlich auf ihre Schulterblätter legten.
    Behutsam fing sie an, sie zu stutzen.

[home]
    Kapitel 16
    A m nächsten Morgen ging Jane wieder spazieren, aber sie wählte einen anderen Weg. Als sie den Garten betrat, richteten sich die Pflanzen in der Nähe ohne ihr Zutun auf. Das Gras unter ihren Sohlen ergrünte und wurde saftig. Ihre Fähigkeiten hinsichtlich der Flora wuchsen von Tag zu Tag.
    Sie zu verlieren wäre gleichbedeutend mit dem Amputieren eines Körperglieds, aber sie musste sie zerstören, bevor ihr Ehemann irgendetwas bemerkte. Bevor Außenstehende es taten.
    Wenn die Kräuter, die sie für ihre Medizin brauchte, auf den Ländereien ihres Mannes wuchsen, dann wären sie sicher in schattigen Regionen zu finden, nicht im Sonnenlicht. Sie wandte sich in Richtung Wald und fragte sich, ob er sie dieses Mal durchlassen würde.
    Das Gras war feucht, an manchen Stellen vom heftigen Regen der letzten Nacht morastig, und ab und zu musste sie eine Matschpfütze umgehen. Auf halbem Weg den Hügel hinauf kam sie auf eine Lichtung und drehte sich um, um zu sehen, wie weit sie gekommen war.
    Vor den Mauern des Kastells schickte die Luft blendende Sonnenstrahlen über die Wiesen und bleichte sie mit flirrenden Hitzewellen. Es war nicht zu erklären, warum die Temperatur auf den Satyr-Ländereien konstant und angenehm blieb.
    Jane betrat den Wald und verspürte vorsichtiges Willkommen. Er kannte sie inzwischen, witterte vielleicht die Berührung seines Herrn auf ihrer Haut. Sie ging eine Weile mit gesenktem Blick, suchend.
    Etwas zog sie tiefer in den Wald. Sie passierte Eichen, Holun derbüsche und Weißdornsträucher, die dicht mit Efeu bewachsen waren, wanderte durch ein Meer aus Farnwedeln und stieg schließlich über eine alte Natursteinmauer.
    Auf der anderen Seite wuchsen Löwenmäulchen, dunkelblauer Phlox, Zierlauch und roter Klee. Kleine Wolken von rosafarben blühendem Thymian schmiegten sich an den Boden. Die Luft roch nach von der Sonne gerösteten Kiefernnadeln und Blauregen.
    Und dann war sie da, ohne Vorwarnung: die spitze, glockenförmige, goldene Blüte des Goldlauchs. Jane kniete sich davor und untersuchte sie mit zitternden Fingern.
    Vorsichtig zog sie die Pflanze aus dem Boden und befreite sie von den warmen Erdkrümeln, die sich an ihre Wurzeln geheftet hatten. Sie legte sie in ihren Korb, richtete sich auf und wandte sich wieder dem Kastell zu.
    Den Sonnenstrahlen nach zu urteilen, die juwelengleich durch das Blätterdach des Waldes fielen, war es später Nachmittag. Sie war ein ganzes Stück gelaufen. Nicht einmal den mit Zinnen versehenen Turm der ehemaligen Burg konnte sie von hier oben sehen.
    Vor ihr im unerforschten Dickicht leuchtete es plötzlich blau auf. Ein weiteres Licht, rosafarben, erschien wie durch Zauberhand daneben. Und noch ein drittes, silbriges.
    Vorsichtig schlich sie darauf zu und lugte durch das Unterholz. Vor ihr lag eine Lichtung, und die Lichter bewegten sich in einem kleinen, offenen Tempel, der von Karyatiden und ionischen Säulen umstanden war.
    Vor ihren Augen dehnten sich die Lichter aus und verdichteten sich – sie nahmen weibliche Gestalt an! Die glitzernden Frauen schwebten zu einem großen Steinaltar in der Mitte des Tempels und begannen mit schlangenähnlicher Grazie damit, eine andere, größere Gestalt zu liebkosen, die dort auf sie gewartet hatte. Es war ein Mann. Und er war nackt.
    Aber was um alles in der Welt machten sie mit ihm?
    Sie trat einen Schritt zurück. Unter ihrem Fuß knackte ein Zweig.
    Die drei durchsichtigen Figuren hielten inne, schoben sich dann nebeneinander und schützten instinktiv den Mann in ihrer Mitte. Sie schauten sie mit merkwürdig leerem Blick an, aber hinter ihnen funkelte ein goldenes Augenpaar in ihre Richtung. Diese Augen

Weitere Kostenlose Bücher