Der Kuss des Verfemten
brauchen dringend Pferde!«
»Und wenn die Räuber wiederkommen?«
»Sie kommen nicht wieder. Bei uns gibt es nichts mehr zu holen.«
Isabella erhob sich und ging den Weg weiter. Zitternd blieb Mathilda zurück.
Es dauerte lange, und Mathilda hatte jedes Gefühl für Zeit mittlerweile verloren, als sie den Hufschlag eines Pferdes vernahm. In Panik sprang sie auf und versteckte sich hinter einem dicken Baumstamm. Der Soldat war ihr in diesem Augenblick völlig gleichgültig.
Isabella kam, auf einem kräftigen Zugpferd sitzend, um die Wegbiegung. Verwundert blickte sie auf den Soldaten. »Wo ist Mathilda?«
»Hier bin ich«, erklang es zaghaft hinter dem Baum.
»Herrgott, Mathilda! Hatte ich dir nicht befohlen, bei dem Soldaten zu bleiben?«
»Ich dachte, die Räuber kommen zurück«, erwiderte Mathilda kläglich.
Isabella sprang vom Pferd. »Es ist das einzige, das ich gefunden habe«, sagte sie bedrückt. »Es stand bis zum Bauch im Sumpf und wäre wahrscheinlich darin versunken. Die anderen haben die Räuber wahrscheinlich mitgenommen.«
Der Soldat hob schwach die Hand. »Die Herberge«, flüsterte er. »Reitet zu der Herberge, sie ist etwa sieben Meilen von hier entfernt. Dort könnt Ihr Hilfe holen.«
Isabella blickte zweifelnd auf ihn herab. »Sieben Meilen? Und Ihr? Ich kann Euch nicht Eurem Schicksal überlassen.«
»Lasst mich hier liegen! Ich bin nur ein einfacher Soldat. Rettet Euer Leben, Hoheit!«
Isabella schüttelte den Kopf. »Nein, das würde ich mir nie verzeihen! Ihr seid ein tapferer Soldat. Ihr habt Euer Leben für mich riskiert, jetzt werde ich mit meinem Leben Eures schützen.«
»Isabella, was redet Ihr da!«, ereiferte sich Mathilda. »Vergesst Ihr, wer Ihr seid?«
Isabella blickte sie spöttisch an. »Vor noch nicht allzu langer Zeit gabst du mir den Rat, nicht preiszugeben, wer ich sei!«
»Das war auch etwas anderes. Da ging es um Euer Leben, Hoheit!«
»Und? Habe ich es etwa nicht gerettet? Und deines dazu. Wir werden uns jetzt zu dritt auf den Weg machen zu dieser Herberge, wo wir Hilfe finden können.«
»Wie stellt Ihr Euch das vor?«, fragte Mathilda. »Wir haben nur ein Pferd! Und der Soldat wird den langen Fußmarsch nur schwerlich überstehen.«
»Ja, allerdings. Deshalb wird er auf dem Pferd reiten, und wir beide laufen.«
»Nein!« Mathildas empörter Aufschrei gellte durch die Luft. »Wir sollen laufen? Ihr seid Prinzessin, Euch steht das Pferd zu.«
»Ganz recht. Und ich kann bestimmen, was mit dem Pferd geschieht. Und ich bestimme, dass der Soldat auf dem Pferd reitet, während wir zu Fuß gehen. Soldat, könnt Ihr auf das Pferd steigen, wenn wir Euch helfen?«
»Ich werde es versuchen. Prinzessin, Ihr seid eine Heilige!« Tränen liefen über sein zerfurchtes Gesicht, und mit zitternden Händen griff er nach Isabellas Hand.
Sie lächelte ihm beruhigend zu. »Betet zu allen Heiligen, dass sie uns beschützen und helfen!«
*
Es war ein seltsamer Zug, der am späten Abend die kleine, schäbige Herberge erreichte. Von Weitem sah sie wie ein ärmliches Bauerngehöft aus mit einem binsengedeckten Haupthaus, einem Stall und einer Scheune.
Misstrauisch kamen die Wirtsleute aus der Herberge gelaufen und leuchteten mit ihren Lichtfässern ungläubig die drei völlig erschöpften Menschen an.
»Gütiger Gott, wer seid Ihr?«, fragte der Wirt.
Isabella wagte nicht zu sagen, dass sie die Tochter des Herzogs sei. Es hätte ihr sowieso niemand geglaubt. Außerdem war sie völlig entnervt von der ständigen Jammerei Mathildas, die riesige Blasen und durchgelaufene Schuhe an den Füßen hatte. Ihre Füße sahen nicht besser aus, und sie hätte nie geglaubt, wie weit sieben Meilen waren. Selbst das Pferd schnaufte heftig, und der Soldat konnte sich kaum noch auf dem Rücken des Tieres halten.
»Wir waren unterwegs zur Burg des Herzogs, als wir im Wald, etwa sieben Meilen von hier, von Wegelagerern überfallen wurden. Alle Soldaten unserer Eskorte wurden getötet, bis auf diesen hier. Wir brauchen eine Unterkunft für die Nacht und etwas zu essen. Und jemanden, der sofort zur Burg meines … des Herzogs reitet und Hilfe holt.«
Noch immer beäugte der Wirt sie misstrauisch. So schmutzverkrustet und völlig entkräftet, wie sie aussahen, konnten sie ebenso irgendwelche Flüchtlinge sein.
»Es könnte eine Falle sein«, flüsterte die Wirtin ihrem Mann ins Ohr. »Oder es sind Diebe!«
»Gut möglich. Andererseits sind sie in einer schlechten Verfassung, das sieht
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