Der Kuss des Verfemten
Mann nicht«, sagte Mathilda leise. »Es war sehr leichtsinnig von dir, für ihn zu bürgen.«
»Ich weiß! Doch was blieb mir denn anderes übrig?«
Rudolf atmete tief durch. »Martin hatte auch keine andere Wahl. Wenn er jetzt nicht gekommen wäre, wärt Ihr mit Gundram verheiratet. So kann er vielleicht das Blatt noch wenden.«
»Ich bete dafür«, sagte Isabella leise und fiel vor dem Altar auf die Knie.
*
De Cazeville legte seinen Beutel auf den Boden und begann, dessen Inhalt auszupacken. Zuerst holte er ein großes weißes Laken hervor. Er entfaltete es und breitete es auf dem Boden aus.
»Entkleidet Euch und legt Euch auf dieses Tuch.«
»Alles?«, fragte Martin erstaunt.
De Cazeville nickte. Zögernd legte Martin seine Kleidung ab und hockte sich auf das Tuch. Zu seinem Erstaunen entkleidete der Fremde sich ebenfalls. Achtlos warf er seine dunklen Sachen in eine Ecke. Nur einen Dolch, den er aus dem Umhang hervorgezogen hatte, legte er mit Bedacht neben seinen Beutel.
Martin beobachtete ihn und stellte mit Bewunderung fest, dass dieser Mann einen außergewöhnlich schönen Körper besaß. Er war groß und schlank, jeder Zentimeter seiner Glieder bestand aus langfaserigen Muskeln, über die sich straff und faltenlos seine bräunliche Haut spannte. Schwarzes Haar lag wie ein seidiger Schleier über Brust und Bauch. Martin musste unwillkürlich an die Geschmeidigkeit und Eleganz einer Raubkatze denken. Selbst sein Phallus besaß außergewöhnliche Maße, und Martin überlegte einen Augenblick, wie viele Frauen er damit wohl schon beglückt haben mochte.
Dann kleidete er sich in einen weiten, weißen Umhang mit einer zipfelförmigen Kapuze.
Misstrauisch beäugte Martin den Dolch und das Gebaren des Fremden. »Was habt Ihr vor?«, fragte er.
»Ihr würdet es nicht verstehen«, erwiderte de Cazeville unwirsch.
»Warum nicht? Dieser Dolch ist eine sarazenische Arbeit. Ihr habt im Orient gelebt!«
De Cazeville hockte sich vor den Eisenofen und entfachte ein Feuer. »Ihr beobachtet gut«, sagte er, ohne Martin anzuschauen. »Ich habe einige Jahre in Tyrus zugebracht. Dort lernte ich die Heilmethoden der Orientalen kennen.« Er grinste. »Und nicht nur das. Der Dolch stammt aus Damaskus. Einen besseren Stahl gibt es auf der ganzen Welt nicht.«
»Seid Ihr ein Arzt?«
»Nicht nur. Das, was die Kreuzritter an ärztlicher Kunst vorweisen können, ist, gelinde gesagt, eine Katastrophe. So viele der alten Weisheiten wurden vergessen oder gar verteufelt.«
»Ihr meint, das Wissen der alten Eichenpriester?«
De Cazeville nickte. Er erhob sich und füllte den Kupferkessel mit Wasser. »Ihr glaubt nicht daran, weil ihr ein Christ seid, nicht wahr?«
»Nein, denn es ist schwarze Magie!« Er blickte in das herablassend lächelnde Gesicht des Mannes.
»Und trotzdem habt Ihr Euch einverstanden erklärt, dass ich Euch heile?«
Martin nickte. »Es ist eine Chance. Ich vertraue Euch nicht, aber ich begebe mich in Eure Hände, weil ich keine andere Wahl habe.«
»Das ist vernünftig und ehrlich. Deshalb solltet Ihr mir jetzt vertrauen und mir in meine Welt folgen. Ihr werdet gesund und gestärkt wieder daraus hervortreten und habt eine reelle Chance, gegen Gundram zu gewinnen.«
»Und wer garantiert, dass Ihr mir nicht mit Eurem Dolch die Kehle durchschneidet?«
Das leise Lachen de Cazevilles klang wieder spöttisch. »Niemand wird Euch das garantieren. Doch was habe ich davon, Euch zu töten?«
»Ich weiß nicht, warum Ihr das alles überhaupt tut. Ich kenne Euch nicht! Welches Interesse solltet Ihr daran haben, dass ich Isabella zur Frau gewinne?«
»Ich habe kein Interesse daran. Es ist eine höhere Macht, in deren Interesse es liegt. Doch vergeudet nicht die Kraft Eures Geistes für solche nutzlosen Gedanken. Ihr braucht sie, um gesund zu werden. Es wird Euch viel Kraft kosten!« Er streute getrocknete Kräuter in eine Schale und überbrühte sie mit heißem Wasser.
»Was ist das?«, fragte Martin misstrauisch.
»Ihr solltet auch nicht mehr fragen, sondern das befolgen, was ich Euch sage!«
Martin senkte ergeben den Kopf und nahm die dargereichte Schale. Ein würziger Duft stieg in seine Nase, und er trank den heißen Tee mit kleinen Schlucken. Er spürte die Wärme durch seinen Körper fließen, eine angenehme Leichtigkeit erfasste ihn, und er wurde müde. De Cazeville reichte ihm eine zweite Schale und hinderte ihn daran, sich niederzulegen. »Das müsst Ihr ebenfalls trinken, es ist
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