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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Gehirn dringen, was seine Ohren eben vernommen hatten. Isabella spürte die Hand ihres Vaters auf der Schulter. Mit einem Schluchzen riss sie sich los, warf den Stuhl um und rannte wie vom Teufel gehetzt hinüber zum Wohnturm. Sie hastete die Treppe hinauf, riss beinahe den Wachsoldaten um und warf sich gegen die Tür zu den Gemächern. Sie stürzte hinein – und prallte mit Gunilla zusammen!
    Gunilla schrie erschrocken auf und ließ die kleine Truhe aus dunklem Holz und Perlmutt fallen, die sie in den Händen trug. Mit einem dumpfen Krachen fiel das Kästchen auf den Boden, das edle Holz splitterte, und die Muscheln platzten ab.
    Die beiden Frauen blickten sich erschrocken und entsetzt an. »Was tut Ihr hier?«, fand Isabella als Erstes ihre Sprache wieder.
    »Ich … ich … oh, verzeiht mir, Hoheit …« Gunilla stammelte und fiel auf die Knie.
    »Ihr habt gestohlen!«, flüsterte Isabella fassungslos. Hinter ihr drängten sich ihre Gesellschaftsdamen, der Herzog, die Wachen – und Gundram. »Ihr habt gestohlen aus dem Nachlass meiner Mutter!« Isabellas Stimme wurde schrill. »Was fällt Euch ein? Konntet Ihr den Sieg Eures Bruders nicht abwarten? Wachen, ergreift sie und legt sie in Ketten!«
    Hastig bückte sie sich und ergriff das Kästchen, das den Aufprall verschlossen überstanden hatte. Sie blickte es mit zusammengezogenen Brauen an. Dann schritt sie langsam, erhobenen Hauptes zurück in die hintere Kammer der Gemächer, legte das Kästchen zurück in die Truhe und schloss sie sorgfältig ab. Mit der gleichen Würde kam sie zurück, hielt den Schlüssel hoch und zeigte ihn allen Anwesenden.
    »Das gehört ganz allein mir«, sagte sie leise und mit drohendem Unterton. »Es ist das Vermächtnis meiner Mutter. Und wer sich daran vergreift, wird des Todes sein!« Sie nahm die Kette mit dem kleinen goldenen Kreuz ab, die sie seit dem Raub ihres Schutzmedaillons um den Hals trug, und fädelte den Schlüssel auf. Dann legte sie sich die Kette wieder um.
    Mit aufgerissenen Augen starrte Gunilla sie an. Die Wachen hatten sie an den Armen gepackt, jemand kam mit klirrenden Ketten gelaufen. Gunilla bäumte sich schreiend auf. »Ich bin unschuldig!«
    »So? Das werden wir gleich ergründen. Niemand soll sagen, in unserem Land wird willkürlich gerichtet. Du sollst deinen fairen Prozess bekommen!«
    »Isabella, Ihr geht zu weit!« Gundram drängte sich vor. »Lasst meine Schwester frei! Sie wird Euch den Schaden an dem Kästchen bezahlen. Es ist sicher ein Missverständnis. Außerdem seid Ihr mir eine Erklärung schuldig für Euer Verhalten auf dem Turnierplatz!«
    »Die Verhandlung führt der Herzog!«, entgegnete Isabella entschieden. »Nicht wahr, Vater?«
    Der Herzog nickte und blickte verständnislos zwischen den Streitenden hin und her. »Worum geht es eigentlich?«, fragte er, aber niemand reagierte darauf.
    »Und was meine Erklärung betrifft, so werdet Ihr auch sie im Audienzsaal vernehmen. Ihr vergesst, wo Ihr Euch hier befindet. Es sind die Frauengemächer!«
    Unter lautem Gemurmel verließen alle die Räume. Gunilla wurde von den Wachen davongezerrt. Isabella und ihre Mädchen folgten dem Zug zum Audienzsaal.
    Hinter einer Säule des Ganges verborgen stand Rupert de Cazeville und starrte der eigenartigen Prozession hinterher.
    »Diese blöden Weiber!«, fluchte er leise. »Warum hat der Teufel sie nicht alle in schwarze Krähen verwandelt?« Sein scharfer Verstand änderte im Bruchteil eines Augenblicks seinen Plan. Er zog seinen schwarzen Umhang enger um die Schultern und eilte davon.
    *
    Isabella saß zu Füßen ihres Vaters auf einem Hocker und blickte auf die vor ihnen kniende Gunilla. Widersprüchliche Gefühle kämpften in ihr. Für einige Zeit hatte sie geglaubt, Gunilla könnte ihre mütterliche Freundin werden. Sie war fasziniert von dieser schönen, stolzen und erfahrenen Frau. Isabella hatte Gunilla verteidigt, weil sie Mitleid mit ihr empfunden hatte, der hübschen, aber einsamen Gattin eines Ritters, fern aller Vergnügen, fern auch von einem Beschützer, einem Menschen, der ihre Nähe teilte. Sie hatte nur ihren Bruder. Und der kämpfte um Isabellas Hand! Und doch verspürte sie im hintersten Winkel etwas, das ihre Gesellschaftsdamen laut ausgesprochen hatten: Gunilla war auf gewisse Weise unheimlich, als würde ein dunkles Geheimnis sie umgeben. Doch was sollte dies sein? Isabella erhoffte sich Aufklärung, und sie war in ihrem Innersten bereit, sollte Gunilla sich reuig und mitteilsam

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