Der Kuss des Verfemten
Idee aus dem Kopf. Ihr seid meine Gefangene!«
»Und warum? Was habe ich Euch getan? Mit dem Tod Eurer Schwester habe ich nichts zu tun. Und ich hätte den Mörder gefangen, wenn Ihr Euch nicht eingemischt und mich so schändlich entführt hättet!«
»Der Tod von Gunilla ist eine zweite Sache, die alles nur noch verschärft. Den Mörder werde ich auch selbst finden. Es ist in Eurem Beisein geschehen, das allein genügt, Euch dafür büßen zu lassen. Ich glaube, Eurem Hochmut tut ein wenig Kerkerhaft ganz gut.«
Er wandte sich zum Gehen.
Isabella sprang auf. »Nein, ich protestiere! Schließlich bin ich eine Prinzessin und kann eine mildere Behandlung erwarten. Selbst Richard Löwenherz durfte sich während seiner Gefangenschaft auf Trifels frei bewegen!«
»Ihr vergleicht Euch mit Richard Löwenherz?«, spottete Gundram. »Er ist tausendmal mehr wert als Ihr. Ihr seid ein goldenes Hühnchen, er ist ein stolzer Adler!«
»Oh, so gut kanntet Ihr ihn?«
Verächtlich drehte Gundram sich in der Tür um. »Auch wenn er unser Feind ist, niemand wird ihn erreichen können. Am allerwenigsten Ihr!«
Die Tür fiel krachend ins Schloss, und die Mädchen schauderten, als der Schlüssel sich knirschend drehte.
»Jetzt hast du ihn gänzlich verärgert!«, klagte Mathilda. »Vielleicht hätte er doch Erbarmen gezeigt und uns wenigstens in der Burg Bewegungsfreiheit gestattet!«
»Machst du mir etwa Vorwürfe?«, fragte Isabella entrüstet.
»Nein, nein, aber ich fürchte mich so!«
»Das weiß ich! Ich fürchte mich auch. Aber ich werde nicht zu Kreuze kriechen! Nicht vor Gundram!«
»Ob das wirklich so klug ist?«, zweifelte Mathilda.
»Zweifelst du an meiner Klugheit?«, fragte Isabella spitz. Mathilda biss sich auf die Zunge. Beinahe hätte sie diese Frage bejaht. »Wie soll es denn weitergehen?«, fragte sie stattdessen.
»Es wird Hilfe kommen! Mein Vater schickt seine Soldaten und lässt mich befreien«, sagte sie überzeugt. »Oder glaubst du, er lässt diese Schmach auf sich sitzen?«
»Nein!« Und trotzdem zweifelte Mathilda daran, dass der senile Herzog sich gegen Gundram durchsetzen konnte. Zu viel Einfluss genoss Gundram unter der Ritterschaft.
»Wir werden uns in Geduld üben und beten. Die Hilfe wird kommen, das spüre ich!«
Mathilda war sich nicht sicher, ob Isabella damit ihren imaginären blonden Schutzengel meinte oder ihren Vater oder gar eine göttliche Eingebung. Verzagt kniete sie auf dem glitschigen Steinboden nieder, stützte die Ellbogen auf die Pritsche und faltete die Hände. Ihr Gebet war lang und inbrünstig, und es schloss sämtliche Heilige ein, die ihr im Augenblick in den Sinn kamen.
*
Mit dem scharfen Blick eines Kenners registrierte Rupert de Cazeville die mächtigen Fallgitter am Burgtor und die Pechnasen darüber. Eine breite Mauer mit überdachten Wehrgängen umgab die Burg. Alles überragte der Burgfried, der eine weite Sicht ins Land gestattete und trotzdem seinen Bewohnern guten Schutz bot. Es war kaum anzunehmen, dass diese Burg jemals gestürmt werden konnte, sie war ausgezeichnet gesichert. Der breite Burggraben, die mächtigen Mauern und Wälle, die stabile Zugbrücke, das eisenbeschlagene Tor und die zahlreichen Wachsoldaten auf den Wehrgängen hielten ihn jedoch nicht davon ab, die Burg zu betreten. Nachdem er die Nacht in einem schlichten Landgasthaus verbracht hatte, mischte er sich am Morgen unter das zahlreiche Volk, das vor jeder Burg herumlungerte, sei es, um Waren zu verkaufen, seine Dienste anzubieten oder einfach nur, um zu betteln.
»Ihr seid ein Gelehrter?«, fragte der Kaplan hochachtungsvoll und betrachtete neugierig den seltsamen Gast, der am Morgen Einlass begehrte. »Schon lange wünsche ich mir einen Menschen, mit dem ich geistvolle Gespräche führen und die heilige Schrift diskutieren kann.«
»Und ich wäre der richtige dafür?«, fragte de Cazeville mit leisem Spott in der Stimme.
Der Burgkaplan nickte. »Mit Verlaub, die Ritter sind alle recht derbe Mannsbilder, die das Kriegshandwerk verstehen und das Schwert zu schwingen wissen. Aber für unsereins, denen das Geistige zum Lebensinhalt wurde, fehlt es an geeignetem Umgang.«
»Ich glaube nicht, dass Ihr an mir Freude hättet«, erwiderte de Cazeville. »Ich bin Arzt!«
»Nun, auch das ist doch ein gelehrter Beruf. Darf ich fragen, wo Ihr Eure Studien betrieben habt?«
»In Bologna!«
»Ah, Italien, das Land der Sonne, der süßen Früchte und der geistigen Leichtigkeit. Unser Kaiser
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