Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
zum ersten Mal fürchtete Gundram sich. »Wenn ich es recht bedenke, habe ich gestern tatsächlich einen Jungen gesehen, der mir unbekannt war. Blond, hübsch, mit seltsamer Aussprache, wie die eines Engländers. Er sagte, er wäre der Gehilfe des Kerkermeisters.« Auf Gundrams Stirn traten kleine Schweißperlen.
    »Begreift Ihr nun, dass ich recht habe? Martin wird dem Herzog ein Ultimatum überbringen. Ihr braucht nur auf diesen Boten zu warten.«
    De Cazeville lächelte spöttisch. Er begann wieder, um Gundram herum zu spazieren.
    »Ihr macht mich nervös mit Euren Umkreisungen!«, knurrte der Ritter.
    De Cazeville blieb stehen und seufzte tief. »Ihr seid ein dummer Christenmensch, sonst würdet Ihr bemerken, dass ich Euch links herum umkreise, gegen den Lauf der Sonne.«
    »Na und?«, fragte Gundram verständnislos.
    De Cazeville grinste immer noch. »Jeder Mann des alten Glaubens wusste, dass man damit von einem anderen Besitz ergreifen kann. Und die alten Götter leben noch, ob Ihr es wahrhaben wollt oder nicht!« Er drehte sich abrupt um und verließ den Saal. Gundram bekreuzigte sich schnell. Er musste ein Teufel sein! Dann besann er sich und lief dem Fremden hinterher. »Wartet!« De Cazeville verlangsamte seinen Schritt und blickte herablassend über die Schulter.
    »Warum erzählt Ihr mir das alles? Warum helft Ihr mir?«
    »Ich tue es nicht für Euch«, erwiderte er. »Aber Ihr erinnert mich an jemanden, den ich … der mir nahestand.«
    *
    Mathilda saß auf der hölzernen Stiege, die zum Wehrgang hinaufführte, und beobachtete die Männer, die unter Anleitung der beiden Ritter auf dem Burghof an den Waffen übten. Sie fochten und schleuderten ihre Lanzen auf Strohballen, schossen mit Pfeil und Bogen auf geflochtene Schilfscheiben. Sie bewunderte die Geschicklichkeit der Männer, und ihre Augen suchten immer wieder die groß gewachsene Gestalt von Rudolf. Dieser gut aussehende Ritter mit den langen braunen Locken und den warmen Augen brachte ihr Herz zum Rasen und das Blut in ihren Adern zum Rauschen.
    Die Ritter unterwiesen besonders ihre Knappen, die sich nach besten Kräften bemühten, ihren Herren nachzueifern.
    Was Mathilda nicht sah, bemerkte Rudolf. Er zog Martin beiseite.
    »Was ist los mit dir? Beinahe hätte Jakob dir den Bauch aufgeschlitzt! Du bist nicht bei der Sache!«
    »Du musst dich irren!«, erwiderte Martin unwirsch.
    »Ich irre mich nicht«, widersprach Rudolf. »Es ist Isabella, die dich ablenkt, nicht wahr?«
    Martin schwieg und senkte den Kopf. Die Muskeln seiner Kiefer spielten bedrohlich. »Ihre Nähe macht mich nervös«, gab er zu. »Du hast dich nicht von ihr gelöst! Das hast du die ganze Zeit nicht!« Rudolf fuhr sich mit den Fingern durch seine langen Locken. »Mein Gott, schlag sie dir aus dem Kopf!«
    Rudolfs Worte trafen ihn schnell und scharf wie ein Messerschnitt, und er zuckte unwillkürlich zusammen. Er hatte geglaubt, dass ihn nach seinen Schicksalsschlägen nichts mehr aus der Bahn werfen konnte und er gegen alle Misslichkeiten des Lebens gewappnet sei. Doch Isabella hatte seinen Schild durchstoßen, seinen Panzer, seine Rüstung, die nach außen so glatt wirkte. Sie hatte ihn tief in seinem Innersten getroffen. Isabella war eine Gefahr. Martin war noch nie vor einer Gefahr oder einer Herausforderung in seinem Leben ausgewichen. Aber ob es diesmal klug war, sich dieser Gefahr zu stellen? Es war wirklich am vernünftigsten, sich von Isabella fernzuhalten.
    »Ich dachte, ich hätte es geschafft«, gab Martin kleinlaut zu. »Doch seit sie hier ist, spüre ich, dass sie mir noch immer viel bedeutet. Zu viel!«
    »Frauen waren schon manches großen Staatsmannes Verhängnis!«
    »Du hast ja recht! Das Schlimmste ist, dass sie mich mit Verachtung straft. Sie schikaniert ihre arme Zofe, und von den Mägden will keine mehr zu ihr hineingehen.«
    »Verachtung? Davon bin ich gar nicht überzeugt. Es ist nur die Äußerung für etwas anderes. Aber – genügt dir Konstanze nicht mehr?«
    »Lass Konstanze aus dem Spiel. Sie kann nichts dafür. Ich mag sie natürlich, und sie stillt meine Leidenschaft. Aber mit Isabella ist es anders. Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Wirklich nicht? Wehr dich!« Rudolf klopfte fordernd mit dem Blatt seines Schwertes gegen Martins Brust. »Lass nicht dein Herz über deinen Verstand gewinnen. Es könnte tödlich sein. Außerdem ist sie eine Prinzessin und für dich unerreichbar. Du solltest Walther losschicken, damit er dem Herzog deine

Weitere Kostenlose Bücher