Der Kuss des Verfemten
denen die Matratze bezogen werden konnte.
»Kann ich vielleicht Nadeln und Garn bekommen?«, fragte Mathilda schüchtern. »Ich könnte daraus Bettzeug nähen.« Die Magd blickte sie erstaunt an, dann nickte sie und verschwand, um das Gewünschte zu holen.
Martin betrat die Kammer und schaute sich um. »Jetzt ist es viel komfortabler als in Gundrams Kerker«, sagte er sichtlich zufrieden.
Isabella gab einen undefinierbaren Laut von sich. »Gebt Euch keine Mühe«, raunzte sie. »Lange wird mein Aufenthalt hier nicht dauern. Mein Vater wird seine Soldaten schicken und mich befreien. Und ich werde dafür sorgen, dass Ihr streng bestraft werdet!«
Ungerührt prüfte Martin die Matratze. »Ist weich genug«, meinte er mehr zu sich selbst. »Ein paar Rosshaarkissen sollten wir auch noch in irgendeiner Ecke finden.« Dann wandte er sich Mathilda zu. »Ihr seid die Zofe dieser Dame?«, fragte er. Sie nickte stumm. »Und wie ist Euer Name?«
»Mathilda«, antwortete sie.
»Also, Mathilda, Ihr dürft Euch frei bewegen, wie es Euch beliebt. Ich verzichte darauf, diese Kammer abzusperren. Und Ihr dürft Eurer Herrin holen, was sie wünscht, eine Waschschüssel, Wasser, Kleider aus unserem Lager, wenn sie sich von diesem grässlichen Kleid trennen möchte. Nur Ihr, Isabella, dürft bis auf Weiteres diese Kammer nicht verlassen. Wenn Ihr meinem Befehl zuwiderhandelt, ergeht es Euch schlecht. Ich scherze nicht, und ich habe bisher immer mein Wort gehalten.«
Seine blauen Augen funkelten sie drohend an. Dann drehte er sich um und verließ die Kammer. Das Schnappen des Riegels blieb aus.
Isabella sprang auf und wollte zur Tür eilen. Mathilda vertrat ihr den Weg. »Wir sollten jetzt beide vernünftig sein«, sagte sie.
»Was erlaubst du dir?«, zürnte Isabella. Sie wich zurück, als eine Magd eintrat und Mathilda Nähzeug und Kleider reichte.
Mathilda dankte ihr und lächelte sie an. Die Magd warf ihr einen freundlichen Blick zu, dann verließ sie die Kammer wieder.
»Ich werde jetzt Wasser holen, damit wir uns beide waschen können«, sagte Mathilda bestimmt. »Dann kleiden wir uns um und nähen Bettzeug aus dem Stoff. Erstens lenkt es uns ab, zweitens fühle ich mich in diesen Kleidern nicht mehr wohl, und drittens bin ich überzeugt, dass es uns hier wirklich nicht schlecht ergehen wird.«
Isabella setzte sich auf die Kante des eigenartigen Bettes und blickte sie verwundert an. So resolut und überzeugend kannte sie Mathilda gar nicht! Keine Spur von ihrer einstigen Verzagtheit, ihrer ständigen Jammerei und den trüben Gedanken. »Vielleicht hast du recht«, erwiderte Isabella. »Außerdem bin ich müde von dem anstrengenden Ritt. Ich würde danach gern ein wenig schlafen.«
*
Sie verbrachten eine ruhige Nacht. Gründlich gewaschen, in frische Kleider gewandet, das Bett bezogen, schliefen Isabella und Mathilda bis weit in den neuen Tag. Mathilda holte das Frühstück aus der Küche, die sich unter freiem Himmel in einer Ecke des Burghofes befand und nur mit einer leichten Überdachung aus Schilfgras gegen Regen geschützt war. Sie bemerkte, dass es nur eine karge Kost gab, doch für Isabella und sie wurden die besten Stücke auf den Teller gelegt. Auf dem Hof begegnete sie Ritter Rudolf. Er lächelte erfreut, als er sie sah.
»Hattet Ihr eine angenehme Nacht?«, fragte er.
»Ja, ich habe geschlafen wie ein Bär! Noch nie im Leben bin ich so lange geritten, und heute tut mir alles weh.« Mathilda lachte verlegen und senkte den Blick.
Rudolf ergriff eine Locke ihres roten Haares. »Und trotzdem seid Ihr schon auf den Beinen?«
»Na ja, ich muss mich um Isabella kümmern. Sie darf die Kammer nicht verlassen. Aber ich tue es gern für sie. Eigentlich ist sie ganz nett.«
»Ganz nett?« Rudolf spielte mit der Haarlocke. »Gestern sah sie nicht danach aus.«
»Ich kenne ihre Launen. Sie ist meine Herrin, fast mein ganzes Leben lang. Sie kann auch wirklich freundlich sein. Im Augenblick ist wohl nicht die passende Gegebenheit dafür. Immerhin ist sie ja wieder eine Gefangene, wenn auch eines anderen Herren.«
»Und Ihr? Macht es Euch etwas aus, hier zu sein?«
Mathilda spürte, wie sie errötete. Sie senkte wieder den Blick und schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Nein, ich empfinde es nicht als Gefangenschaft. Aber ich darf mich auch frei bewegen. Ritter Martin hat es gestattet, damit ich Isabellas Wünsche erfüllen kann.«
Rudolf nickte. »Nachher üben wir mit den Knappen und den Burgmannen fechten. Wenn
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