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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Reiters schwang er sich auf den Rücken seines Pferdes und hieb ihm die Fersen in die Flanken, geradeso wie es Isabella vor kurzer Zeit mit ihm getan hatte. Erschrocken bäumte das Ross sich auf und jagte im gestreckten Galopp den Feldweg entlang. Martin beugte sich über seinen Hals. Die wehende Mähne und der scharfe Wind trieben ihm die Tränen in die Augen, und er riss den Mund auf, um die Luft in seiner Lunge zu spüren. Die Sphäre um ihn herum teilte sich, strömte an seinem Körper entlang. Ein wilder Schrei entrang sich seiner Kehle und machte seiner inneren Qual Platz.
    Erst als das Pferd entkräftet in eine langsamere Gangart fiel und schließlich stehen blieb, legte er sich auf den Hals des Tieres. Er spürte den Geruch des schweißnassen Fells und ließ sich langsam von seinem Rücken gleiten. Auf der Wiese blieb er liegen, presste sein Gesicht in das feuchte Gras und bemerkte mit Erstaunen, dass er weinte.

Zehntes Kapitel
    Obwohl Isabella nach wie vor Martins Gefangene war, konnte sie sich nun auf der Burg völlig frei bewegen.
    Niemand hinderte sie, Hof, Ställe, die Halle oder sogar den Wehrgang zu betreten. Nur die Burg verlassen durfte sie nicht. Das große Tor blieb ohnehin fast ständig geschlossen, und kaum ein Außenstehender würde vermuten, dass diese alte verfallene Burg Leben in sich barg. Weit draußen auf den grünen Wiesen grasten Schafe und Ziegen. Manchmal wurde das große Tor geöffnet, um einen beladenen Wagen einzulassen. Doch das geschah meist im Schutze der Dunkelheit.
    Isabella ahnte, dass die wilden Gesellen dann von einem ihrer Raubzüge zurückkamen. Sie war ohnmächtig, konnte diese schändlichen Taten nicht verhindern. Wenn sie über den Hof spazierte, folgten ihr die Blicke der zerlumpten Gestalten, manch schiefes Grinsen der Männer und zweideutiges Lächeln der Mägde. Außer bei Ritter Rudolf konnte Isabella nicht unterscheiden, welche dieser Männer – und vielleicht auch Frauen – einmal Edelleute gewesen waren und welche nur schmutzige Bauern oder Landstreicher. Alles hatte sich vermischt, es war eine irrwitzige Gesellschaft ohne Standesunterschiede.
    Fast körperlich spürte sie das Unbehagen, das ihr diese Gesellschaft bereitete. Kein geistiges Gespräch war möglich, es gab keinen Kaplan, nicht einmal eine Kapelle, so dass Isabella ihre Gebete vor ihrem Bett kniend verrichten musste. Niemals fand ein Gottesdienst statt, kein Gesang oder Rezitation von Heldengedichten der hohen Minne, die sie so sehr liebte. Statt dessen vernahm sie häufig das Grölen der betrunkenen Männer und das Kreischen der Frauen, die von ihnen oft recht unsanft gepackt und befingert wurden. Und sie sangen diese unflätigen Lieder mit Texten, die ihr die Schamesröte ins Gesicht jagten.
    Meist verließ Isabella angewidert diese zweifelhaften Festlichkeiten und zog sich in die Abgeschiedenheit ihrer Kammer zurück. Hier fühlte sie sich einigermaßen sicher vor den zudringlichen Blicken und dem Schmutz und der Verderbtheit der wilden Gesellen.
    Am meisten jedoch vermisste sie Mathildas Gesellschaft. Sie war die Einzige, die Isabella verstanden hätte, die ihre Seele kannte wie kein zweiter Mensch auf dieser Erde. Mit Mathilda hätte sie ihre Ängste und Sorgen, ihre Gedanken und Probleme teilen können.
    Doch Mathilda hatte sich verändert. Noch jetzt dachte Isabella mit Unbehagen und Zorn an die Worte, die sie ihr ins Gesicht geschleudert hatte. Jawohl, geschleudert! Denn nichts war mehr von Mathildas zurückhaltendem, scheuen Wesen geblieben, von der Mathilda, die Angst vor der Welt, dem Leben und den Männern hatte und am liebsten wieder ins Kloster zurückgekehrt wäre.
    Und warum hatte sie sich so verändert? Durch einen Mann! Dieser Ritter Rudolf hatte sie völlig verhext, ihr den Kopf verdreht. Isabella musste zugeben, dass Rudolf ein sehr ansehnlicher Mann war, etwas größer als Martin, dafür schlanker, aber nicht minder kräftig. Und er hatte warme, braune Augen und langes, kastanienbraunes Haar. Sein Gesicht war stets freundlich, er lachte gern und war zu jedem Spaß bereit. Er konnte fechten wie ein wahrer Held und schien mutig anzugreifen. Das hatte Isabella mehr als einmal beobachten können, wenn sie den Männern zuschaute, die sich häufig im Burghof im Waffengang übten. Martin und Rudolf unterrichteten sie immer wieder im Umgang mit Schwert, Lanze, Pfeil und Bogen.
    Besonders bemühten sich die beiden Knappen, Jakob, Martins dunkelhaariger Wirbelwind, der sich durch

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