Der Kuss des Werwolfs - 1
ist eine Fälschung! Ein Trick dieser Made Eugene.«
Antonia hob das zerknüllte Papier auf, glättete es und las den Brief ebenfalls. Ihr hübsches Gesicht verzog sich zu einer wütenden Fratze. Sie gab den Wisch an Ludmilla weiter, die nach dem Lesen die Zähne so fest aufeinander presste, dass sie knirschten. Nach und nach lasen alle Werwölfe, was Ianthe mitgebracht hatte, und ihre Mienen schwankten zwischen Unglauben und Wut.
Auf einen leisen Fingerzeig von Derenski stürzten die drei Leibwächter vor und packten Ianthe, die zu überrascht war für Gegenwehr.
»Das ist ein Trick. Du hast wieder die Seiten gewechselt.« Derenski stand vor ihr, funkelte sie aus gelblichen Augen an.
»Nein! Nein, Mylord.« Die Werwölfin bemühte sich um Nachdruck, dennoch zitterte ihre Stimme. »Dieser Brief lag in Edinburgh vor meiner Tür. Ich war genauso überrascht wie Ihr, Mylord. Das ist seine Handschrift und auch seine Unterschrift. Rhodry Monroe, Earl of Shavick, hat den Brief selbst geschrieben.«
»Das kann nicht sein! Ich habe ihn gebannt! Er befindet sich an einem Ort außerhalb der Zeit, von dort kann er keine Briefe schreiben.«
»Das beweist etwas anderes.« Ianthe deutete auf den Brief, der jetzt auf dem Tisch lag. »Ich habe mich für Euch entschieden, Mylord, und nicht die Seiten gewechselt. Das schwöre ich bei meiner Ehre als Werwölfin.« Sie bemühte sich, die Schwurhand zu heben, was durch den Griff der Leibwächter kaum möglich war.
»Du wirst Gelegenheit bekommen, deine Treue zu beweisen. Ich muss wissen, was es mit diesem Fetzen auf sich hat. Du wirst wie im Brief gefordert nach Shavick Castle reisen, so tun, als würdest du dich auf den Kampf gegen uns vorbereiten und die Einladung zum Dinner annehmen. Du wirst eine brave Angehörige der Schotten sein. Igor und ich werden uns in deiner Nähe aufhalten, und du wirst uns über alles auf dem Laufenden halten.«
»Das mache ich.« Ianthe nickte.
»Maksym, mein Lieber«, mischte sich Antonia ein. »Ich lasse dich nicht allein nach Shavick Castle gehen.«
»Du wirst mit Ludmilla hierbleiben. Wenn ich dich brauche, kommst du nach. Keine Widerrede.«
Die beiden Frauen verzogen die Gesichter, schwiegen aber.
»Lady Ianthe macht sich sofort auf den Weg«, bestimmte Derenski. »Ich will über jeden Furz informiert werden, der bei den Schotten die Luft verpestet. Als Erstes und vor allen Dingen muss ich wissen, ob Monroe sich tatsächlich befreit hat und wie er das geschafft hat.«
Er entließ die Werwölfin mit einer Handbewegung.
Rhodry Monroe runzelte die Stirn und starrte auf den Folianten, den er auf den Knien liegen hatte. Brüchiges Leder, nachgedunkelte Seiten, verblasste Schrift, lateinische Worte. Es handelte sich um das Werk »De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia« des Rechtsgelehrten Thomas Morus, das sich mit dem idealen Staat und einer friedlichen Gesellschaft befasste. Auf einem Tisch neben ihm lagen außerdem mehrere Bücher über Geheimwissenschaften, Alchemie und Zauberkunde.
Er hatte Nola ein Versprechen gegeben und gewusst, dass es schwer werden würde, es einzuhalten. Wie schwer, das wurde ihm allerdings erst jetzt bewusst. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie hergekommen war, ganz zu schweigen davon, wie er sie zurückbringen sollte. Alle diese Bücher hatten ihm keine neuen Erkenntnisse vermittelt. Sicher war er sich nur einer Sache: Nola war seine Seelenpartnerin, und wenn er daran dachte, dass sie ihn verlassen wollte, zerriss es ihm das Herz. Dennoch war ihr Glück alles für ihn — so war das bei der Seelenpartnerschaft.
Er klappte das Buch zu und schmiss es zu Boden, das Geräusch hallte in der stillen Bibliothek unnatürlich laut. Mutlos stand Rhodry auf, schlenderte an den Bücherregalen vorbei und warf einen Blick aus dem Fenster. Der Himmel war bedeckt, und es pfiff ein frischer Wind, der den Winter vertrieb. Rhodry glaubte, den Frühling schon in der Luft riechen zu können.
Er fuhr herum, als die in die Wand eingelassene, kaum zu erkennende Tür geöffnet wurde. Dalton trat ein und verneigte sich. »Lady Ianthe aus Edinburgh ist gekommen und wünscht Euch zu sprechen, Mylord. Sie wartet im Morgensalon.«
Der Vormittag war lange vorbei, aber auf Shavick Castle gab es wenig Morgenbesucher, deshalb führte Dalton ausnahmslos jeden in den Raum, in dem Rhodrys lebensgroßes Porträt hing und dem er den Namen Morgensalon gegeben hatte.
»Ich komme.« Der Earl of Shavick verließ die Bibliothek,
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