Der Kuss des Werwolfs - 1
er ihr erlaubt hatte, auf diesen Kriegszug zu gehen, während er als Maksyms Stellvertreter in Krakau geblieben war.
»Dann wird es wirklich Zeit, Antonia.«
Die zögerte immer noch, schaute auf die Wiesen und Berge vor sich. Wenn sie sich beeilten, könnten sie morgen Mittag in Shavick Castle sein. In einem Punkt hatte Ludmilla recht: Sie waren nicht so viele, dass sie auf die Hilfe zweier zu allem entschlossener Wölfinnen verzichten konnten. Langsam nickte sie.
»Richtig so«, lobte die Freundin und hob das Bündel hoch, das sie trug, und das Antonia erst jetzt richtig wahrnahm. »Ich habe alles dabei, was wir brauchen. Und so unzivilisiert die Highlands auch sein mögen, irgendwo werden wir doch notfalls etwas kaufen können.«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst! Aber wir finden schon, was wir brauchen.« Antonia entledigte sich ihrer Kleidung, rollte sie zu einem Bündel zusammen, dass sie sich auf den Rücken knotete.
Ludmilla tat es ihr gleich. Am Ende hetzten zwei Wölfe davon, die so etwas wie Rucksäcke trugen. Wenn jemand sie so sähe, würde er nicht schlecht staunen.
Rhodry hatte sich auf der Armlehne des Sofas niedergelassen, auf dem Nola saß, und stützte sich mit einem Arm ab. Nola schaute zu ihm auf. Nach ihrem Abenteuer auf der Klippe hatte sie ein Bad genommen und sich dann von Jane in ein neues Kleid helfen lassen. Die Zofe hatte darauf bestanden, dass Nola eine Tasse Tee trank und zwei Scheiben geröstetes Brot mit Butter aß, um den
Schreck zu verdauen. Beim Essen hatte Nola selbst bemerkt, wie hungrig sie gewesen war.
Jetzt lehnte sie den Kopf gegen Rhodrys Arm; sie fühlte sich erschöpft nach all den Ereignissen des Tages, aber auch gut aufgehoben in der Gegenwart des Werwolfs. Heute Abend war die Zeit, um ihre Träume endlich wahr werden zu lassen. Ein Glas Wein, eine Decke vor dem Kamin, in dem das Feuer munter flackerte …
»Du bist hier gut aufgehoben, Prinzessin. Das Haus bietet dir jegliche Bequemlichkeit«, sagte der Earl.
Das klang nun nicht nach der Erfüllung ihrer Träume, aber wer weiß … Sie ging auf sein Thema ein. »Es ist ein wirklich schönes Sommerhaus.«
Das letzte Wort hatte sie betont, denn immer noch war sie beeindruckt von der Größe.
»Hier bist du sicher vor diesem Köter Derenski. Ich selbst muss zurück nach Shavick Castle, aber es bleiben einige Wölfe zu deinem Schutz hier.«
»Wie bitte?« Sie setzte sich aufrecht hin, war alarmiert. Rhodry dachte offenbar nicht an einen intimen Abend zu zweit.
»Im Krieg mit den Krakauern braucht mich das Rudel. Ich kann die Angelegenheit nicht Eugene überlassen. Im Laufe der Nacht werde ich aufbrechen. Wenn alles vorbei ist, komme ich zurück und hole dich.«
»Ach, und das dauert wie lange?« Nola hatte Kriege vor Augen, die jahrelang anhielten — sechs, sieben Jahre oder sogar dreißig. Sollte sie hier alt werden? »Kommt nicht infrage. Ich komme mit dir. Ich bin deine Seelenpartnerin, bei so einer Sache gehöre ich an deine Seite«, widersprach sie heftig.
»Du bist eine Menschin.«
»Deine Seelenpartnerin.«
»Wenn du eine Werwölfin wärst … genügend Erfahrung hättest … vielleicht.«
»Rhodry.«
»Nein, Nola. Zum Wesen der Seelenpartnerschaft gehört auch, dass das Weibchen gehorcht. So ist das nun einmal im Rudel.«
»Ist das dein letztes Wort?«
»Mein letztes Wort.«
Die Stimmung war dahin. Nola ballte die Hände zu Fäusten, um sie dem Werwolf nicht ins Gesicht zu schlagen. Die Nägel schnitten in ihre Handballen »Prinzessin, du solltest zu Bett gehen, und morgen denkst du darüber genauso wie ich.«
Er wollte sie an sich ziehen, doch sie sprang vom Sofa auf und wich zurück.
»Ich werde zu Bett gehen. Gute Nacht, Rudelführer.«
Rhodry blieb im Salon zurück, stellte sich an den Kamin. Die Kälte in seinem Inneren konnten die Flammen nicht vertreiben. Er hatte das Gefühl, bei Nola könne er tun, was er wolle, bei ihr trat er immer ins Fettnäpfchen. Er wollte das Beste für sie. Warum sah sie das nicht ein? Sie gehörte einfach nicht in eine Auseinandersetzung zwischen Werwolfrudeln, sie war eine Menschin - schwach und schutzbedürftig. Er seufzte. Wenn sie sich zur Werwölfin machen ließe, wäre alles einfacher. Doch nach der Auseinandersetzung eben brauchte er die Frage nicht zu stellen.
Er trat nach einem im Kamin glimmenden Scheit, Funken stoben auf. Er verstand Nola oft nicht. Lag das daran, dass sie aus der Zukunft zu ihm gekommen war, oder warum war sie wohl so
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