Der Kuss des Werwolfs - 1
hatte keine Zeit verloren, seine Bauern in Stellung zu bringen. Unterstützten ihn die Freien, hatte er noch mehr Wölfe zur Verfügung. Es dauerte aber mindestens zwei Wochen, bis Maksym Unterstützung aus Krakau geholt hätte. So lange durften sie nicht warten. Ihm fiel Consett Enderby ein, der Rudelführer der Londoner Werwölfe. Man konnte sie nicht Verbündete nennen, aber immerhin hatte sich der Londoner mit seinem Rudel in den Dienst von Derenskis Sache gestellt. Bisher hatte das nicht mehr bedeutet, als dass seine Wölfe sich in London ungehindert hatten bewegen können. Enderby war jemand, der lieber abwartete und sich erst auf jemandes Seite stellte, wenn er ganz sicher sein konnte, dass es ihm Vorteile brachte — er war kein Krieger! Wenn Maksym erst die Kontrolle über Englands Wölfe erlangt hätte, würde er den Londoner absetzen und ihn in der Themse verrotten lassen. Nur half ihm das jetzt nicht weiter. »Das sind nur schlechte Nachrichten. Hast du auch was Gutes zu berichten?«
Die Wölfin wich vor ihm zurück. »Das ist alles, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte. Für Euch dürften das wertvolle Informationen sein.« Sie warf stolz den Kopf zurück.
Sie waren wertvoll, aber das würde er Ianthe nicht spüren lassen. War sie der Meinung, seinen Auftrag nicht gut genug ausgeführt zu haben, würde sie sich künftig noch mehr Mühe geben. So hielt er es mit all seinen Untergebenen, nur Antonia schenkte er hin und wieder ein Lob.
Die Situation war wirklich alles andere als rosig. Monroe hatte im Augenblick die Vorteile auf seiner Seite, aber er wäre nicht Maksym Derenski und für seine List bekannt, wenn es ihm nicht gelänge, seinen Nachteil in einen Vorteil umzumünzen. Der Schlüssel dazu war diese Menschin.
»Du«, fuhr er Ianthe an und bemerkte zufrieden, dass sie zusammenzuckte, »wirst herausfinden, wo er diese Frau versteckt hat. Wenn wir sie in unsere Gewalt bringen, ist Monroe Wachs in unseren Händen. In drei Nächten kommst du wieder her und erstattest mir Bericht.«
»Sehr wohl, Rudelführer. Ich werde dich nicht enttäuschen.«
»Zu niemandem ein Wort.«
»Zu niemandem.« Ianthe nickte und verschwand in der Dunkelheit.
Derenski ließ seinen Blick über die eingefallenen Wände des Brochs gleiten. Ein Volk, das derart primitive Behausungen errichtete, konnte nichts taugen. Das galt für die Menschen und die hiesigen Werwölfe gleichermaßen. Monroe hatte sich zwar aus der Zeitschleife befreit, letztendlich würde aber er, Maksym Derenski, den Sieg davontragen. Er musste nur erst diese Menschin in seiner Gewalt haben. Ob er Ianthe trauen konnte, oder ob sie noch heimliche Sache mit den Schotten machte - als Doppelagentin. Er würde sie beseitigen, wenn er Monroes Rudel übernommen hatte. Verräter duldete er in seinen Reihen nicht.
Als Ianthe sicher war, vom Broch aus nicht mehr gesehen zu werden, kehrte sie in einem weiten Bogen zurück. Sie hatte ihn gerochen, die ganze Zeit, auch wenn sie ihn nicht zu Gesicht bekommen hatte. Auch jetzt witterte sie ihn und hoffte, noch einen Blick auf ihn werfen zu können. Sie duckte sich, schlich sich auf die Hügelkuppe und spähte hinüber. Dort unten musste er gestanden und Derenski bewacht haben. Ob er an sie gedacht hatte?
»Igor, Igor«, flüsterte sie vor sich hin. Der Wind wehte seinen Geruch nur noch schwach zu ihr herüber. Beim Broch war niemand mehr.
Wenn doch nur er vorhin auf sie gewartet hätte statt Derenski! Sie hatte es mit aller ihr zur Verfügung stehenden weiblichen Unvernunft gehofft, auch wenn er ihr wahrscheinlich ohnehin wieder keinen Blick gegönnt hätte, wie schon zuvor nicht. Ianthe ließ den Kopf hängen und wanderte den Hügel wieder hinunter, sprang über einen Bach und lief ziellos in die Nacht hinein.
Wie hatte es so weit kommen können? Sie war Ianthe aus Edinburgh, noch nie hatte sie sich nach einem Mann verzehrt; die Kerle taten für einen Blick von ihr alles oder dafür, ihren Fächer aufheben zu dürfen. Igor jedoch hatte bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nicht einmal mit ihr gesprochen. Er hatte sie genauso von oben herab behandelt, wie die anderen Wölfe des Krakauer Rudels, und doch hatte sein Anblick heiße Wellen über ihren Körper laufen lassen. Sie war wie hypnotisiert gewesen und hatte an nichts anderes mehr denken können, als wie sie ihn für sich gewinnen konnte. Nur deshalb war sie zu Derenski gegangen und hatte ihm angeboten, sein Auge und sein Ohr im Schottlandrudel zu sein.
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