Der Kuss des Werwolfs - 1
Küche zu kommen schien und ein Tablett trug, auf dem etwas unter einem Tuch verborgen lag.
»Dalton, Sie schickt der Himmel.«
Er verneigte sich leicht. »Mylady, womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich suche Rhodry. Sie wissen doch bestimmt, wo er ist.«
»Nun, Mylady.« Dalton sah auf einmal unbehaglich aus. »Er ist mit Master Eugene und anderen des Rudels in einer Besprechung. Ihr könnt sie jetzt nicht stören, Mylady. Ich sage Mylord, dass Ihr ihn zu sprechen wünscht, wenn die Besprechung endet.«
»Das bringen Sie zu ihnen?« Sie zeigte auf das Tablett.
»Das ist für Lady Ianthe.«
Rhodry war also direkt von ihr zu Rudelangelegenheiten geeilt, während sie sich Gedanken gemacht hatte, wie sie die Scherben zwischen ihnen kitten konnte. Es würde wohl schwierig werden.
Nola nahm die Hintertreppe in den zweiten Stock zu ihrem Zimmer. Entweder kannte sie Shavick Castles Gänge nicht so gut, wie sie dachte, oder heute ging alles schief: Jedenfalls landete sie in einem Flügel der Burg, in dem sie nie gewesen war. In der Ecke öffnete sich eine der dunklen Türen, und Moira kam heraus. Sie hielt einen etwa zehnjährigen Jungen am Ohr gepackt, drehte ihn neben der Tür mit dem Gesicht zur Wand und sagte: »Hier bleibst du stehen, bis ich dich reinhole.«
Bevor sie wieder im Zimmer verschwand, fiel ihr Blick auf Nola. »Miss Eleonore.« Sie nickte und wollte sich abwenden, überlegte es sich anders und schenkte Nola ein Lächeln. »Sie sehen aus, als könnten Sie eine Stärkung gebrauchen. Kommen Sie.«
»Ihre Schüler?«
Es war offensichtlich, dass die Werwölfin damit beschäftigt war, den Nachwuchs zu unterrichten.
»Sie sind mit einer Schreibaufgabe beschäftigt, und nachdem der junge Lachlain wegen Stören des Unterrichts vor der Tür stehen muss, werden die anderen es nicht wagen, einen Laut von sich zu geben.«
Sie führte Nola in einen Raum, der die Schlossvariante eines Lehrerzimmers im 19. Jahrhundert bildete, und hieß sie in einem verschlissenen Sessel Platz zu nehmen. Anschließend machte sie sich am Buffet zu schaffen.
»Ich bin nicht hungrig.« Nola dachte mit Schaudern an die dicken Scheiben kalten Bratens, die Werwölfe ständig verzehrten.
»Ich habe nicht an Essen gedacht - eher an eine Tasse Tee.« Moira hatte sich halb umgedreht, und jetzt erkannte Nola, dass sie an einem Samowar hantierte. »Wir essen nicht den ganzen Tag Fleisch.«
»Haben Sie meine Gedanken gelesen?«
»Das nicht, aber die meisten Menschen, die näher mit uns bekannt werden, haben damit Schwierigkeiten. Am Anfang jedenfalls.« Sie lächelte.
Nola entspannte sich. »Die Kinder, waren das …?«
»Kleine Werwölfe. Ich unterrichte sie. Sie müssen genauso zur Schule gehen wie Menschenkinder und das spezielle Wissen unserer Art erwerben. Viel zu tun für die Kleinen. Haben Sie sich eingelebt auf Shavick Castle und erholt von der durchtanzten Nacht?«
»Ich weiß nicht«, gestand Nola offen. »Werwölfe, ich weiß nicht, das ist mir immer alles noch so fremd. Ich weiß nicht genau, wie ich hierhergekommen bin. Rhodry hat ständig Rudelangelegenheiten zu klären, die Bedrohung durch die
Krakauer. Ich habe das Gefühl, ich bin zu gar nichts nütze. Das bin ich nicht gewohnt.«
»Das muss Ihnen fremd erscheinen. Bei manchen Menschen, die zu uns kommen, bleibt das immer so, und sie verlassen uns wieder.«
»Kommen viele Menschen hierher?«
»Nicht viele. Manche, die den Bluteid schwören wollen. Jemanden wie Sie hatten wir noch nie hier. Rhodry hat erzählt, Sie sind 200 Jahre aus der Zukunft zu uns gekommen. Ich freue mich, zu sehen, wie die Welt im 21. Jahrhundert aussehen wird.«
Einen Augenblick war Nola verblüfft, bis ihr die Unsterblichkeit der Werwölfe einfiel, die solche Sätze Wahrheit werden ließ. Moira würde es erleben: Autos, zwei Weltkriege, Computer, den 11. September, die Europäische Union, Börsencrashs, Fernsehen, Mondlandung und Flugzeuge. Sie überlegte, ob die Worte der Werwölfin als Wunsch zu verstehen waren, etwas über ihre Zeit zu erfahren, und ob sie als Zeitreisende diese Neugier befriedigen durfte, ohne das Gefüge der Zeit durcheinanderzubringen. Moira reichte ihr eine dampfende Tasse Tee und redete weiter: »Nehmen Sie, Miss Eleonore, das wird Ihnen guttun. Bei Menschen weckt Tee die Lebensgeister nach zu wenig Schlaf.«
»Und bei Werwölfen?«
»Hilft Tee nicht, zu viel Wasser. Zu wenig Schlaf macht uns allerdings auch zu schaffen.« Moira hielt sich eine Hand vor den Mund,
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