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Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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Wangen zu strömen. Er drückte sie an sich, gab beruhigende Laute von sich, ließ sie wissen, dass er sie verstand. Sie schmiegte sich an ihn – den einzigen Menschen, der ihr geholfen hatte, so gut er konnte, sie in der Kunst der Magie unterwiesen und ihr mit Trost und Ratschlägen zur Seite gestanden hatte, obwohl er Tausende von Meilen von ihr entfernt gewesen war – zu viele Jahre lang nichts als ein Bild in einem Teich oder einem Spiegel.
    Wolfers Augen wurden schmal. Es gefiel ihm nicht, was sein jüngster Bruder da tat, es gefiel ihm überhaupt nicht. Ein spitzer Ellbogen bohrte sich in seine Seite und erstickte das Knurren, das sich in seiner Kehle bildete. Er blickte in Kellys aquamarinblaue Augen, sah, wie ihre Brauen in die Höhe schossen, und nestelte geistesabwesend an Alys’ Armband an seinem Handgelenk herum. Endlich löste sich Alys von Morganen und wischte sich über die Augen, während die anderen sie in verspätetem Wiedererkennen begrüßten. Dann wandte sie sich an jeden der Männer, mit denen sie als Kind gespielt hatte.
    »Ich freue mich so, euch alle zu sehen! Trevan, Wolfer hat mir von deiner Verletzung erzählt. Den Göttern sei Dank, es scheint dir ja wieder gut zu gehen.« Sie umarmte ihn kurz. »Koranen – du hast ja doch noch die Statur eines Mannes bekommen!« Auch er wurde umarmt, wobei er errötete; er hatte als Letzter seine körperliche Reife erreicht, obwohl er nicht der Jüngste der Brüder war – das war sein Zwilling, den sie bereits begrüßt hatte. Sie wandte sich an die anderen. »Evanor, ich weiß, was Dominor zugestoßen ist. Es tut mir so leid.«
    Den blonden Bruder rührte ihr aufrichtiges Mitleid sichtlich. Er erwiderte ihre Umarmung und gab sie dann wortlos wieder frei. Der Verlust war noch zu frisch; er hatte ihn stärker getroffen als die anderen Brüder, denn es war sein Zwilling, der vermisst wurde.
    »Saber! Ich kann kaum glauben, dass du verheiratet bist!«, rief sie dann, als sie den letzten der in der Halle versammelten Brüder gleichfalls umarmte. Anschließend trat sie zurück und streckte der einzigen Person, die sie nicht kannte, eine Hand hin. »Und du musst Sabers Frau sein. Ich bin Alys – ich habe mit diesen Männern gespielt, als wir Kinder waren.«
    »Ich bin Kelly. Und ich glaube, ich habe schon von dir gehört«, fügte Kelly mit einem vielsagenden Blick auf Wolfers Armband hinzu. Dann spähte sie an Alys vorbei in die Halle. »Bist du allein gekommen?«
    »Ich bin … von zu Hause fortgelaufen«, gestand Alys und sah die anderen dabei ängstlich an. »Ich habe Wolfer gefragt, ob ich bleiben kann, aber dies ist ja euer aller Heim. Es ist nur so … ich kann sonst nirgendwo hingehen und nirgendwo bleiben.«
    »Ihr Onkel hat versucht, sie an den meistbietenden Freier um ihre Hand zu verkaufen«, erklärte Wolfer grollend, woraufhin alle laut ihre Empörung kundtaten. »Das ist noch nicht alles«, übertönte er das Stimmengewirr. »Sie sagt, Broger sei der neue Graf pro tempore auf Corvis und dass unser Onkel Daron zwei Monate nach unserer Abreise gestorben ist. Die Briefe, die wir in den letzten drei Jahren von unserem Onkel bekommen haben, waren Fälschungen.«
    »Das stimmt«, bestätigte Alys, während die Brüder Verwünschungen ausstießen, alle bis auf den, der bereits Bescheid wusste. Der, der ihr geraten hatte, sich in Geduld zu fassen und auf den richtigen Zeitpunkt zu warten. Dieser Zeitpunkt war jetzt gekommen. Ihre Stimme verhärtete sich, als sie neuen Mut schöpfte. »Mein Onkel muss sich für vieles verantworten.«
    »Dein Onkel scheint ein widerlicher, unhöflicher Chauvinist zu sein.« Kelly nahm Alys bei den Schultern und drehte sie zu einem der Gänge. »Und du hast vermutlich eine lange Reise hinter dir und sehnst dich nach einem Bad, Ruhe, einer warmen Mahlzeit und der Gastfreundschaft von Nightfall. Zum Glück habe ich ja diese Junggesellenbande und ihr Heim auf Vordermann gebracht«, fügte sie hinzu. »Hast du Gepäck bei dir?«
    »Nein, ich besitze nur das, was ich am Leibe trage.«
    Kelly begutachtete Alys’ Kleider und schüttelte den Kopf. »Nun, du bist etwas besser dran, als ich es bei meiner Ankunft war, ich trug nur meinen Schlafanzug. Einen versengten Schlafanzug, um genau zu sein, aber das ist eine lange Geschichte. Zum Glück kann ich mich ja inzwischen verständlich machen; Morganen hat mir diesen scheußlichen Vielsprachenzaubertrank verabreicht, der bewirkt, dass ich Katanisch und alle anderen hier

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