Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
nicht nur gelegentlich das Temperament eines Rotschopfes an den Tag, ich stamme auch aus einem ganz anderen Universum.«
Angesichts dieser Enthüllung starrte Alys sie verwirrt an, aber Kelly zuckte nur die Achseln.
»In meiner Welt, einem Ort namens Erde, gibt es keine Magie, und daher fürchten sich ignorante Menschen davor. Maschinen tun alles für uns, keine Zaubersprüche, was Magie Furcht einflößend wirken lässt, verstehst du? Ich wäre von Leuten, die mich für eine Hexe gehalten haben, weil ich andere Vorlieben hatte als sie, die sie nicht verstanden, beinahe umgebracht worden. Aber bei uns gibt es weder irgendeinen Zauber noch Hexen. Mehr oder weniger jedenfalls«, räumte Kelly ein, die an ihre hellsichtige Freundin Hope denken musste. »Aber jetzt bin ich hier, und Saber und ich haben uns ineinander verliebt und die erste Strophe des Fluches der acht Prophezeiungen überstanden – zumindest hoffen wir das alle.«
»Wirklich? Dann … dann bist du diejenige, der das Unheil, das Katans Untergang herbeiführt, auf dem Fuß folgen sollte?«, fragte Alys mit großen Augen. »Nachdem die Brüder in die Verbannung geschickt worden sind, wurde über nichts anderes mehr gesprochen.«
»Nicht ganz«, berichtigte Kelly. »Der Umstand, dass ich in Sabers Bett gelegen habe, hat es uns ermöglicht, das drohende Unheil rechtzeitig zu erkennen und ihm entgegentreten zu können. Katan hat sich geweigert, uns dabei zu helfen. Die ˒Und Katan die Hilfe verwehrt˓-Zeile von Sabers Strophe wurde von jedermann falsch interpretiert: von den Katanern und von den Brüdern selbst.
Aber wie dem auch sei … ihre Fehlinterpretation und ihre Weigerung, uns bei der Lösung des Problems zu helfen, bewirkte, dass sich die Prophezeiung erfüllte«, erläuterte Kelly. »Da das Festland die Brüder verbannt hat, waren sie zur rechten Zeit am rechten Ort, um die Pläne der Mandariter zu vereiteln, als sie herkamen, um unser Land zu besetzen und es auszuplündern. Das geschah eineinhalb Monate, nachdem Morganen mich per Fernsicht in meinem brennenden Bett entdeckt und in diese Welt herübergeholt hat.« Sie feixte. »Also blieb Saber und mir genug Zeit, um uns erst heftig zu streiten, uns dann zu verlieben, zu heiraten, und am Morgen nach unserer Hochzeit standen die Mandariter sozusagen vor unserer Tür.«
»Oh. Wer sind die Mandariter?« Alys schrubbte sich mit dem seltsamen Waschlappen ab, der sich so viel besser anfühlte als raues Leinen oder Wolle.
Kelly tat ihr Bestes, um die Ereignisse zusammenzufassen. »Auf der anderen Seite des östlichen Ozeans gibt es einen Kontinent, auf dem fast alle Frauen über magische Fähigkeiten verfügen. Anscheinend ging es dort vor langer Zeit so zu wie zwischen deinem Onkel und dir – die Männer behandelten die Frauen wie Vieh. Aber dann drehten die Frauen den Spieß um und setzten ihre Magie ein, um die Männer zu unterwerfen. Natürlich gefiel das manchen Männern nicht; sie rebellierten. Sie gründeten ihr eigenes Königreich Mandare und begannen, sich mit nichtmagischen, technischen Methoden zur Wehr zu setzen, da nur sehr wenige Männer der Magie fähig waren.
Direkt nach unserer Hochzeit landeten sie in der östlichen Bucht – Saber hat übrigens die letzte Zeile der Strophe ⊃Wenn die Jungfrau das Schwert begehrt⊂ wundervoll in die Tat umgesetzt«, fügte sie trocken hinzu, woraufhin Alys errötete. »Und dann haben wir improvisiert und das Königreich Nightfall auf die Beine gestellt, mit mir als Königin, Saber als meinem Prinzgemahl und den anderen als Würdenträgern. Wir – oder besser gesagt die Brüder – schufen sogar einen illusionären Hofstaat, der all diese leeren Hallen bevölkerte. Wir taten alles, was in unserer Macht stand, um die Mandariter zu beeindrucken und möglichst schnell wieder loszuwerden – da Katan uns ja ˒die Hilfe verwehrt˓ hat, mussten wir sehen, dass wir alleine zurechtkamen. Aber am Ende haben unsere Bemühungen nicht ausgereicht. Das Unheil ist trotzdem über uns hereingebrochen.«
»Aha.« Alys wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie stand auf und balancierte auf dem Rand der Wanne, um ihre Beine zu waschen.
»Es geht noch weiter«, fuhr Kelly fort. »Dominor hat die Rolle des Schatzkanzlers übernommen – ich habe mich über das arrogante Auftreten ihres Anführers, Lord Aragol, so geärgert, dass ich die Beherrschung verloren und sie von der Insel gejagt habe, was ja die ganze Zeit unsere Absicht war …, aber ich schweife ab.
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