Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)

seinem Stuhl. Als sie beide Platz genommen hatten, schüttelte Wolfers Zwilling seufzend den dunkelblonden Kopf.
    »Evanor hat mir mitgeteilt, dass du Alys gebeten hast, dich zu heiraten«, sagte er. »Ich wünschte nur, du wärst wenigstens so lange geblieben, um uns bei der Abwicklung der Handelsgeschäfte zu helfen.«
    »Wie sind die überhaupt verlaufen?«, fragte Kelly ihren Mann von der anderen Seite her. »Habt ihr das Salz verkaufen können?«
    »Nein, nur die Algenblöcke«, räumte Saber ein. »Oben im Norden herrscht große Nachfrage nach Dünger, und unserer ist mit der beste. Im Norden ist die Vegetation nicht so üppig wie in den mittleren und südlichen Regionen, in denen es nicht so oft regnet«, fügte er hinzu. »Die Bauern dort müssen aufpassen, dass sie den Boden nicht auslaugen.«
    »Vor zweihundert Jahren haben sie zu viel und zu einseitigen Ackerbau betrieben«, warf Morganen ein. »Dadurch wurde der Boden zu unfruchtbarem Staub. Es dauerte Jahre, bis sie der Erde durch vorsichtige Zauber und Dünger die Fruchtbarkeit zurückgegeben hatten, wie du dir vielleicht vorstellen kannst.«
    »Das kann ich mir nicht nur vorstellen – in meiner Welt ist dasselbe passiert, allerdings vor weniger als hundert Jahren«, erwiderte Kelly freimütig. »Ökologisch betrachtet sind viele Gebiete immer noch eine Katastrophe. Hattet ihr Schwierigkeiten, das Salz zu behalten?«
    »Nein.« Saber blickte zu seinem Zwilling hinüber. »Dank deines Auftritts, Wolfer, haben sie sich gehütet, uns gegen sich aufzubringen. Mit deinem Angriff auf Donnock of Devries hast du natürlich ein Problem geschaffen. Aber du hast auch gleichzeitig eines gelöst. Du hast dafür gesorgt, dass die Seeleute Angst davor haben, sich uns zu Feinden zu machen.
    Denk nächstes Mal bitte vorher über die Folgen deiner Handlungsweise nach. Morganens Vergessenszauber wird irgendwann erlöschen, und wenn Donnock sich an alles erinnert, was mit ihm passiert ist, schäumt er vermutlich vor Wut. Wir können nicht vorhersagen, wie er reagieren wird«, seufzte er. »Daher schlage ich vor, wir verändern so schnell wie möglich die Ansicht der Bucht und des Kais, falls er darüber nachdenkt, irgendetwas Unerfreuliches dorthin zu teleportieren, um sich dafür zu rächen, dass du ihm das Handgelenk gebrochen hast.«
    Alys, die aufmerksam zuhörte, warf Morganen einen nervösen, fragenden Blick zu. Als dieser daraufhin kaum merklich den Kopf schüttelte, entspannte sie sich ein wenig. Sie vertraute darauf, dass der jüngste Bruder wusste, wann der beste Zeitpunkt für die vielen Geständnisse gekommen war, die sie abzulegen hatte. Er hatte ihr während all der Jahre mit Broger mit Rat und Tat zur Seite gestanden, und sie hatte nur überlebt, weil sie auf ihn gehört hatte. Jetzt war nicht die Zeit, die anderen darüber zu informieren, dass sie ziemlich genaue Vorstellungen bezüglich des Kurses hegte, den ihr Onkel nun einschlagen würde.
    Dem neben ihr sitzenden Wolfer entging die kurze, wortlose Verständigung zwischen seinem jüngsten Bruder und seiner Braut nicht. Er runzelte leicht die Stirn. Ich weiß, dass sie nur mich liebt, dachte er, während sich das Gespräch am Tisch den verkauften und erstandenen Gegenständen zuwandte. Aber welche Macht hat Morganen über sie? Warum sieht sie ihn an und nicht mich?
    Er glaubte nicht, Grund zur Eifersucht zu haben – immerhin war Alys zu ihm geflüchtet und nicht zu Morg – aber sie hatte einen Blick mit seinem jüngsten Bruder gewechselt, der besagte, dass jeder der beiden wusste, was der andere in diesem Moment dachte. Zwischen ihnen bestand irgendein geheimnisvolles Band. Aber was für eines?
    Er wollte seinem Bruder keine Eifersucht entgegenbringen, kam aber nicht dagegen an. Ihm gefielen diese Gefühle nicht, und ihm gefiel schon gar nicht, was sie instinktiv in ihm auslösten, auch wenn er nicht hätte sagen können, was es war. Irgendeine innere Stimme flüsterte ihm zu, dass unter der Oberfläche von dem, was er sehen konnte, noch mehr brodelte.
    »Die Nachfrage nach Salz wird steigen, wenn der Herbst näher rückt«, meinte Koranen. »All die Menschen, die ihre Vorräte nicht mittels Magie konservieren können, werden es für ihr Fleisch und ihren Fisch brauchen. Ich denke, wir lassen alle Springbrunnen laufen und geben zum Ende des Sommers bekannt, dass Nightfall bereit ist, hochwertiges Salz an jeden zu verkaufen, der einwilligt, auf die Insel zu kommen, es abzuholen und den Preis zu