Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
den Sauerstofftank von der Wand.
»Bist du bereit?«
Sie nickte. Aber niemand war wirklich zu dem bereit, was jetzt folgen würde.
»Halt den Gral gut fest.«
Sie schlang die Arme darum.
Mit der einen behandschuhten Hand hielt Jordan den Stab fest. Mit der anderen holte er seine Axt aus dem Gürtel des Raumanzugs und schwang sie heftig gegen das Ventil.
Sauerstoff trat aus und schoss den Tank geradewegs gegen die Wand, wo er explodierte. Metall ächzte auf, verdrehte sich und kreischte. Die Luft floss in den Weltraum ab. Das Vakuum drang herein.
Jordan rammte den Griff des Stabes in den Gral. Die beiden uralten Relikte brachen in reine Energie aus und strahlten eine Schockwelle ab, die ihn und Vivianne rückwärts schleuderte. Sie schlug mit dem Kopf an, und einen Moment lang verengte sich ihr Blickfeld. Als sie wieder klar sehen konnte, glühte der Stab in dunklem Purpur, und der Gral war in einen rötlich kupferartigen Glanz eingehüllt, der grell leuchtende Energiewellen aussandte.
Dann verschwanden Gral und Stab. Sie lösten sich einfach auf, als wären sie niemals da gewesen.
»Sieh nur!«, sagte Vivianne in das Mikrofon ihres Anzugs und deutete mit zitterndem Arm auf die Stelle, wo sich die beiden Gegenstände kurz zuvor noch befunden hatten. »Das Glühen …« Die Energie, die der Stab und der Gral abgestrahlt hatten, fuhr wellenförmig durch den Weltraum und umgab auch bald die Raumstation unter ihnen. Und den gesamten Planeten Pentar. O mein … »Die Welle breitet sich durch das ganze Sonnensystem aus.«
Vielleicht sogar noch weiter.
Ehrfürchtig starrte sie auf einen Energiesturm, der galaktische Ausmaße annahm. Die ursprüngliche Schwärze des Weltraums schimmerte nun vor Energie.
Überall, wo sie hinsah, herrschte nun ein kupferfarbenes Glimmen.
»Was geschieht hier?«, fragte sie.
Jordan gab keine Antwort. Sie drehte sich zu ihm um und beobachtete, wie er zusammenbrach. Reglos und mit weit geöffneten Augen trieb er blind voran.
Der Stab war nicht mehr da, und also war auch Jordans Leben beendet. Die Außenhülle der Draco hatte ein großes Loch, die Mannschaft war umgekommen. Bald würde sie sich zu ihnen gesellen. Doch mit der Trauer durchdrang sie auch ein heftiger Stolz.
Tränen rannen an ihrem Gesicht herunter, als sie Jordan an sich zog. »Wir haben es geschafft, Jordan. Es ist vollbracht. Jetzt kannst du endlich in Frieden ruhen, Shari-ki , mein Geliebter.«
41
Wenn du aufgibst, endet die Hoffnung .
König Arthur Pendragon
Vivianne, Jordan, ist mit Ihnen alles in Ordnung? Gray sandte einen telepathischen Gedanken unmittelbar in ihren Kopf.
Sie leben? , fragte Vivianne und überlegte, ob die ungeheure Anspannung sie jetzt verrückt gemacht haben mochte.
Ja, ich lebe. Fragen Sie mich aber nicht, ob ich noch atme.
Wie bitte? Das mussten die Auswirkungen des Schocks sein. Gray konnte nicht überlebt haben. Und er konnte auch nicht auf telepathischem Wege zu ihr sprechen. Offensichtlich hatte ihr Verstand aufgrund der Überbeanspruchung ausgesetzt. Ein Mensch konnte dies alles doch gar nicht aushalten.
Offensichtlich hatte sie ihre Grenze erreicht.
Mit einem Gefühl des Schwindels starrte sie in den Weltraum hinaus. Der Kupferglanz erstreckte sich nun so weit, wie das Auge reichte, und allmählich nahm er ab.
Grays Gedanken drangen erneut zu ihr durch, diesmal waren sie von Verwirrung und Erstaunen durchsetzt. Die Draco hat keine Luft mehr, aber offenbar braucht auch keiner von uns zu atmen .
Keiner von ihnen? Was Gray da sagte, verblüffte sie zutiefst. Das bedeutete, dass auch sie selbst keinen Sauerstoff mehr brauchte. Sie benötigte zum Überleben keine Atmosphäre. Sie konnte nun auch auf dem Mars oder der Venus oder auf tausend anderen Welten leben, die keine Atmosphäre besaßen.
Was ist mit den Abgesandten der Stämme, die an Bord kommen wollten?
Weg. Die Stämme brauchen noch Luft und Druck. Nach dieser Explosion haben sie … sich einfach aufgelöst.
Jordan hat den Stab mit dem Gral vereinigt . Hatte er dadurch vielleicht irgendeine grundlegende universelle Konstante geändert? Sie erinnerte sich, wie sich Jordan auf Arcturus verwandelt hatte und seitdem nicht mehr atmen musste. Arthur hatte ihr ins Ohr geflüstert, dass Viviannes Schwäche sie stärken würde. Hatte er sich damit auf die Evolution bezogen? War vielleicht ihre Schwäche, der Luft zu bedürfen, was ihre galaktischen Forschungen so sehr eingeengt hatte, nun zu einer Stärke
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