Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
übergab Jordan den Stab. »Wir gehen hinaus?«
Jordan nickte, nahm den Stab entgegen und steckte ihn in eine Scheide, die an seinem Gürtel hing. Dann zog er den Griff der Luftschleuse.
Ohne den Stab und seine Macht konnte die Draco nicht fliegen. Solange Jordan den Stab also hatte, war das Schiff nicht in der Lage zu starten. Vivianne gefiel es zwar nicht, dass der Stab von der Draco entfernt wurde, aber sie wandte auch nichts dagegen ein, da sie wusste, wie wichtig er für Jordan war.
Die Luftschleuse öffnete sich.
George roch die frische, aber dünne Luft des Schattenplaneten, stieß ein leises Bellen aus und zerrte an der Leine.
Jordan bedeutete Vivianne, sie möge das Schiff verlassen. »Nach dir.«
»Hui.« Vivianne erlaubte es George, dass er sie aus der Luftschleuse der Draco zog. Oft hatte sie davon geträumt, in einem ihrer Raumschiffe durch das Weltall zu fliegen und fremde Welten zu betreten, aber sie hatte nie erwartet, auch einmal eine der ersten irdischen Erforscher einer solchen Welt zu sein.
Als Erstes schlugen ihr die Gerüche des Schattenplaneten entgegen. Es duftete hier nach üppigem Gras, reicher Erde und etwas Würzigem und gleichzeitig Süßem. Die Temperaturen waren geradezu mild und die Schwerkraft ein wenig stärker als auf der Erde.
Hinter dem Landeplatz standen hohe Bäume mit dünnen Stämmen wie Wächter um die Draco herum. Zuerst schien das flache Grasland leer zu sein, doch dann erspähte sie ein Paar kaffeebrauner Augen in einem karamellfarbenen Gesicht, die sie durch die hohen Stängel anblickten. Und noch ein zweites Augenpaar. Und ein weiteres.
Sie waren umzingelt.
11
Ein Mann hat nicht mehr Charakter, als er in Zeiten der Krise zu fassen vermag .
Lady Guinevere
Nachdem sich Viviannes Augen an das helle Sonnenlicht gewöhnt hatten, erkannte sie menschliche Gesichter. Die Körper steckten in dunklen, übereinandergezogenen Nanokleidern, die Köpfe waren mit Ausnahme von doppelten Haarbögen über den menschlichen Ohren kahl.
Jordan trat neben sie. »Sprich mit leiser Stimme und mach keine schnellen Bewegungen.«
»Wir wollen ihnen schließlich keine Angst einjagen«, murmelte sie. Eine rasche Zählung ergab, dass sie, Jordan und Gray in einem Verhältnis von etwa eins zu hundert in der Minderzahl waren.
»Genau«, flüsterte Jordan.
Obwohl die Sonne so gleißend hell schien, konnte sie die Gestalten nicht deutlich erkennen. Entweder kauerten sie sehr tief im Gras, oder sie waren nur etwa so groß wie George, wenn er auf den Hinterbeinen stand. Doch als die Männer, Frauen und Kinder sie in einem ganz und gar unheimlichen Schweigen anstarrten, lief ihr eine Gänsehaut über den Rücken.
»Hallo«, sagte Vivianne und hoffte, ihre Stimme möge freundlich klingen.
George hob ein Bein und taufte eine der Pflanzen. Vivianne hoffte, dass die Eingeborenen dies nicht als Beleidigung betrachteten.
»Was nun?«, fragte Gray.
»Wir warten«, murmelte Jordan. Sie hatte den Eindruck, dass er so etwas schon ein oder zwei Mal erlebt hatte.
»Worauf?«, fragte Vivianne.
»Darauf, dass sie die Angst vor uns verlieren.« Jordan war sich seiner Vorgehensweise offenbar sicher, und sie schien auch durchaus sinnvoll zu sein.
Doch Vivianne fragte sich, was wohl geschehen würde, wenn diese Einheimischen ihre Angst nicht verloren. Würden sie dann angreifen?
George drückte die Nase auf den Boden, schnüffelte und wedelte mit seinem Stummelschwanz. Rasch brachte er die Leine in Spannung und zerrte an ihr.
»Ganz ruhig, Junge.« Vivianne zog ihn zurück. »Sitz.«
George achtete aber gar nicht auf ihren Befehl. Sie vermutete, dass sie ihn nachdrücklicher aussprechen musste, wollte die Eingeborenen aber nicht verängstigen. Daher drückte sie auf das Hinterteil des Hundes. »Sitz.«
Endlich gehorchte George. Sie richtete sich wieder auf, er erhob sich ebenfalls und zerrte erneut auf die Eingeborenen zu. Fast verzweifelt bückte sie sich noch einmal und drückte sein Hinterteil zu Boden. »Sitz«, wiederholte sie.
George setzte sich, sprang aber sofort wieder auf die Beine und spannte die Leine erneut.
Einer der Eingeborenen kicherte.
Vivianne lächelte, setzte sich mit überkreuzten Beinen auf den Boden und hob George auf ihren Schoß. »Vielleicht sind wir weniger einschüchternd, wenn wir uns ihrer eigenen Größe etwas anpassen.«
Gray kniete sich hin, und Jordan hockte sich neben sie, aber er wirkte darauf vorbereitet, jederzeit aufspringen zu können, falls die
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