Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
»Warum sollte ich dort sitzen wollen?«
»Vielleicht um mir Gesellschaft zu leisten?«, neckte er sie. »Wir können ganz bequem von hier wegfliegen.«
»Aber wir haben keinen Motor.« Sie sprach lediglich das Offensichtliche aus.
»Wir benötigen auch keinen«, beharrte er. Als sie die Stirn runzelte, zeigte er auf den Erdschlüssel. »Wir haben alle Kraft, die wir brauchen.«
Sie erinnerte sich an die Geschichte, in der der Raumschlüssel ein uraltes Raumschiff in ein glänzendes neues Gefährt verwandelt hatte. Sie hatte auch gesehen, wie der Windschlüssel einen Hurrikan auf dem Sturmplaneten besänftigt hatte. Vermutlich war es furchtbar dumm zu glauben, die Glaskuppel sei nichts anderes als das, was sie zu sein schien – eine große, leere Glaskuppel eben.
Sie kletterte hinein. Jordan half ihr, sich zu setzen. Sie versuchte, nicht daran zu denken, wie gut sich seine Wärme anfühlte und wie geborgen und sicher sie sich zwischen seinen muskulösen Schenkeln fühlte.
Dann schloss Jordan mit einem Klicken die Kuppel über ihren Häuptern. Ohne ein weiteres Geräusch von sich zu geben, hob die Glaskuppel vom Boden der Höhle ab. Vivianne hielt den Atem an. Würde sie in den Hyperraum springen? Würde sie ihre Insassen unmittelbar an die Oberfläche transportieren? Würde dieses verdammte Ding dafür sorgen, dass auch ihr der Atem ausging?
Alle drei Vermutungen erwiesen sich jedoch als falsch. Die Kuppel fuhr geradewegs durch den Felsen und durchschnitt die Schichten aus Stein, Kalk und Lehm, als wäre sie nichts anderes als ein Fahrstuhl in einem Schacht.
»Wie ist das möglich?«, fragte sie und starrte durch das Glas, während der Stab so hell wurde, dass sie ihren langsamen Aufstieg beobachten konnte.
»Das werde ich wohl erst wissen, nachdem Arthur uns die Geschichte von Dominus übergeben hat.«
»Warum?«
»Darin werden sich einige Informationen über den Ehrwürdigen Stab und die Schlüssel befinden.«
Hoffnung und Ohnmacht erfüllten gleichermaßen seine Stimme. Nun wirkte er wieder wie der Jordan, den sie gekannt hatte, bevor er von den blauen Lichtern geschluckt worden, gestorben und ins Leben zurückgekehrt war.
Als sie die Oberfläche erreicht hatten, öffnete Jordan die Kuppel, und sie kletterte hinaus. Es war Nacht, aber das Sternenlicht fiel hell auf die Getreidefelder. Jordan nahm den Ehrwürdigen Stab an sich und steckte ihn in die Scheide zurück. Als die Glaskuppel wieder in der Erde versunken war, entdeckte Vivianne die Draco . »Trautes Heim, Glück allein.«
Jordan ergriff ihre Hand und drückte sie. »Danke dafür, dass du mich gerettet hast.«
»Gern geschehen.« Sie hatte nicht vergessen, wie bekümmert sie gewesen war, als sie ihn für tot gehalten hatte. Und die Erkenntnis, wie viel er ihr bedeutete, war ihr ebenfalls noch sehr gegenwärtig. Doch nach wie vor empfand sie ein beklemmendes Gefühl in der Brust, und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. »Wie fühlst du dich?«
Er sah sie an und streichelte ihre Wange. »Willst du das wirklich wissen?«
»Ja.« Noch vor wenigen Minuten hatte sie nichts Unbegreifliches und Seltsames mehr hören wollen. Aber nun, da sie sich wieder an der Oberfläche befanden und das Schiff in Sichtweite war, rollte sie mit den Schultern, um die Spannung zu vertreiben, und erwiderte seinen Blick.
»Ich bin anders geworden. Es gibt einen Teil von mir, zu dem ich erst jetzt Zugang gefunden habe, und ich besitze neue Fähigkeiten, von denen ich wohl nie zuvor etwas gewusst habe.« Seine Stimme klang sanft und nachdenklich, als verstünde er ihre Neugier und ihr Misstrauen.
»Was für Fähigkeiten?«, fragte sie und versuchte die Angst aus ihrer Stimme herauszuhalten.
»Kannst du einem Blinden den Unterschied zwischen Rot und Gelb erklären?«
»Ohne Hilfe von mathematischen Gleichungen? Vermutlich nicht.« Verwirrt blickte sie ihn an, während ihr Puls raste. »Willst du damit sagen, dass du mir nicht einmal sagen kannst, was sich an dir verändert hat?«
»Was für eine Ungeduld! Gib mir erst einmal Gelegenheit, mich an die veränderten Umstände zu gewöhnen. Ich weiß selbst nicht genau, was mit mir geschehen ist. Dann erst werde ich die richtigen Worte finden. Es ist so, als finde man plötzlich heraus, dass man Muskeln hat, von denen man bisher nichts wusste, und nun lernen will, was man mit ihnen alles anstellen kann.« Wut klang in seiner Stimme mit.
»Worüber regst du dich so auf?« Sie schenkte ihm einen gelassenen Blick
Weitere Kostenlose Bücher