Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
beugte sich über die Kuppel. In ihr befand sich eine Halterung, die der ganz ähnlich war, die Jordan in die Draco eingebaut hatte. Sie hielt den Atem an, erwartete jederzeit, von blauen Lichtern durchschossen zu werden, und verankerte den Stab in der Halterung.
Angestrengt starrte sie das Kuppelglas an. Aber obwohl der Stab nun heller pulsierte, erschienen die blauen Sterne nicht. Langsam stieß sie den Atem aus.
Als hinter ihr Schritte ertönten, richteten sich ihre Nackenhaare auf. Offenbar war sie nicht länger allein.
27
Wenn es nicht die letzte Minute gäbe, würde nie etwas erledigt werden .
Ehronischer Kriegsherr
Vivianne drehte sich herum und sah Jordan an. Er stand aufrecht und schritt nun mit abgehackten Bewegungen wie ein bewusstloser, nicht atmender Untoter auf sie zu. Entsetzt wich sie zurück, bis sie die Höhlenwand im Rücken spürte. Dieses Wesen, das da auf sie zukam, war nicht ihr Jordan, der sich mit der Geschmeidigkeit eines Panthers zu bewegen pflegte. Was war nur mit dem Mann geschehen, den sie liebte? Befand er sich noch immer irgendwo in diesem Körper und kämpfte darum herauszukommen?
War sein Puls bloß so schwach gewesen, dass er ihr entgangen war, als sie danach gefühlt hatte? War er vorhin in eine Art Winterschlaf gefallen? In einen Zustand des Scheintodes? Denn nun war er höchst lebendig.
Und das blaue Licht, das in seinen Augen schimmerte, war das gleiche wie früher. Er redete mit derselben vertrauten und tiefen Stimme. »Ich bin es.«
»Jordan?«
»Ich habe mich gewissermaßen kurzgeschlossen und nach dem Schock für mein System noch nicht die volle Gewalt über meine Muskeln wiedererlangt.«
Sie wollte zwar hoffen, hatte aber Angst davor und verschränkte die Arme vor der Brust, um nicht mehr so zu zittern. Zerrissen zwischen Hoffnung, Angst und Schrecken zwang sie die Worte aus ihrem Mund. »D… du atmest noch immer nicht.«
»Wie bitte?« Die eine Seite von Jordans Stirn legte sich in Runzeln. »Wovon redest du?«
»Dein Brustkorb bewegt sich nicht.« Sie drückte sich noch enger gegen die Wand und wünschte, ein Fluchtweg möge sich ihr eröffnen.
Er blickte an sich herab und legte die Hand auf seine Brust. Dann sah er sie verwirrt an. »Du hast recht. Ich atme nicht.« Er griff nach seinem Kiefer, verfehlte ihn jedoch beim ersten Versuch und rieb sich schließlich das Kinn. »Ich scheine keinen Sauerstoff mehr zu benötigen.«
Verblüfft, überwältigt und zu ängstlich, um an sein Überleben zu glauben, starrte sie ihn an. »Wie ist das … nur möglich?«
»Ich habe keine Ahnung.«
Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, aber eine widerspenstige Locke fiel ihm wieder ins Gesicht. An dieser für ihn so typischen Geste erkannte sie, dass er dieses Rätsel zu lösen versuchte. Seine Bewegungen waren nun koordinierter, beinahe schon vertraut und … normal. Aber er war nicht normal. Er atmete nämlich nicht. Sie hatte nicht gewusst, wie sehr die einfachen Bewegungen, die beim Atmen entstehen, eine Person erst richtig zum Menschen machen. Ohne das Heben und Senken seiner Brust wirkte Jordan steif und abstoßend. Unirdisch. Das war doch nicht ihr Jordan. Oder etwa … ?
Wenn er allerdings durch irgendein Wunder zu ihr zurückgekommen war, dann würde sie sich daran gewöhnen. Sie würde sich der neuen Lage anpassen. Und dankbar für das Geschenk des Lebens sein.
Sie beurteilte Jordan jetzt nach den Maßstäben, die für gewöhnliche Menschen galten. Aber dieser Mann hatte jahrhundertelang in Gestalt einer Eule gelebt.
Jordan streckte die Hand nach ihr aus. »Wir müssen gehen.«
Sie senkte den Blick … und ergriff seine Hand. »Wird es dir wehtun, wenn ich den Stab wieder entnehme?«
»Das will ich gar nicht wissen.« Er hob eine Braue. »Zumindest nicht, bevor ich weiß, dass du wieder die Planetenoberfläche erreicht hast.« Er beugte sich über die Glaskuppel, kletterte hinein und setzte sich neben den Stab, der nun etwas stärker pulsierte.
»Was tust du da?« Hatte der fehlende Sauerstoff seine Hirnzellen geschädigt? Sie versuchte ihre Sorge für sich zu behalten.
Er bedeutete ihr, ihm Gesellschaft zu leisten. »Setz dich zu mir.«
Sie warf einen Blick zum Tunnel hinüber. »Wir müssen gehen.«
Er lehnte sich zurück, das Glas hielt ihm stand. Dann legte er sich ein flaches Stück Glas auf die Schenkel und fuhr mit der Hand darüber. »Du kannst dich darauf setzen; hier ist genug Platz für dich.«
Sie kreuzte die Arme vor der Brust.
Weitere Kostenlose Bücher