Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)
und hoffte, dass er ihre Angst nicht bemerke.
»Wenn die Stämme meine Heimat nicht zerstört hätten und wenn Trendonis den Stab nicht gestohlen hätte, dann hätte ich auch nicht Jahrhunderte ohne diese Fähigkeiten verbringen müssen. Mein Volk hätte mich gelehrt, wie ich damit leben kann.«
Sie wollte ihn schon bedrängen, es ihr mitzuteilen, aber er hatte sie gebeten, ihm Zeit zu lassen, damit er es selbst herausfand. Also würde sie ihm diese Zeit geben.
Obwohl seine Stimme flüsterleise war, spürte sie, dass sowohl Wut als auch Verblüffung in ihm brodelten. Das konnte sie ihm jedoch auch nicht vorwerfen. Die Stämme hatten seine Familie, seine Welt und einen Teil von Jordan selbst zerstört, indem sie ihm sein Geburtsrecht genommen hatten. Ihre Bösartigkeit war unendlich.
Jetzt, da Jordan ganz zu sich selbst gefunden hatte, sah er nicht nur in voller Klarheit, was ihm angetan worden war, sondern er hatte sich auch verändert. Dieser Jordan war nicht mehr der Mann, den sie zuvor gekannt hatte. Die Unterschiede waren auf den ersten Blick kaum zu erkennen, doch er schien sowohl älter als auch jünger geworden zu sein. Älter, weil er beherrschter und gleichzeitig eher bereit war, sich ihr ganz zu öffnen. Und jünger, weil er vor Tatendrang und Eifer geradezu zitterte.
Jetzt erinnerte sie sich daran, dass er sich in der Höhle nicht nur telepathisch mit ihr verbunden hatte. Als sie ihn für tot gehalten hatte, hatte er auf ihre Gedanken reagiert. Er hatte sie in sich aufgenommen. »Kannst du noch immer meine Gedanken lesen?«
»Soll ich es tun?«, gab er zurück. Seine Stimme entsprach einer sanften Liebkosung.
Der Jordan, den sie gekannt hatte, war ihren Fragen ausgewichen, indem er sie mit eigenen Fragen beantwortet hatte. Doch dieser Jordan hier klang aufrichtig. »Ist mein Wunsch denn von Bedeutung?«
»Selbstverständlich. Ich werde deine Gedanken nur dann lesen, wenn du mich dazu einlädst.« Jordan besiegelte sein Versprechen mit einem Kuss auf ihre Stirn.
»Unten in der Höhle hatte ich dich nicht dazu eingeladen«, murmelte sie.
»Ich bitte um Entschuldigung.« Er verneigte sich mit einer Förmlichkeit vor ihr, die sie noch nie zuvor an ihm beobachtet hatte. »Ich hatte noch nicht die volle Kontrolle über mich. Ich war dabei, mein altes Selbst mit meinem neuen Selbst zu verschmelzen.«
Sie verspürte einen Schmerz in ihren Herzen und kniff die Augen zusammen. »Wie viel von dem alten Selbst ist denn noch da?«
Er kicherte; es klang warm und sinnlich. »Ich habe nichts verloren.« Er flüsterte ihr ins Ohr: »Ich weiß noch immer ganz genau, was du magst.«
Er kitzelte ihr Ohr mit den Lippen, doch sein warmer Atem strich nicht über ihren Hals. Sie hätte es niemals für möglich gehalten, wie sehr eine so einfache Tatsache sie erschüttern könnte. Sie versteifte sich und zwang sich dann wieder zum Entspannen. Dies hier war Jordan. Er lebte, war charmant und dabei unglaublich sexy.
Aber er war auch anders.
»Hat Arthur dich verwandelt?« Sie verstand noch immer nicht, was dort unten in der Höhle geschehen war, und sie musste es doch unbedingt begreifen.
»Arthur hat seine Rolle bei der Auffindung des Erdschlüssels gespielt. Aber deine eigene Rolle war noch wichtiger.«
»Meine?«
»Als du den Stab in die Halterung gesteckt hast, hast du einen Kreislauf geschlossen. Da sich nun alle drei Schlüssel an Ort und Stelle befanden, konnte der Ehrwürdige Stab kosmische Energie aufnehmen und mich damit wieder beleben.«
»Diese blauen Lichter, die ich in dir gesehen habe, das war kosmische Energie?« Ihr fiel der Kiefer herab, unwillkürlich starrte sie ihn an. Er sah genauso aus wie früher. Er klang auch so wie früher. Und seine Berührung fühlte sich auch noch ebenso an wie früher.
Aber sie reagierte anders auf ihn. Früher hatte sie geglaubt, Jordan sei bloß ein brillanter Angestellter. Als sie dann gesehen hatte, wie er sich in eine Eule verwandelte, hatte sie seine ungewöhnlichen Fähigkeiten akzeptiert. Doch jetzt mutmaßte sie, dass er göttliche Kräfte besaß.
Er konnte ihre Gedanken lesen, und auch wenn er ihr versichert hatte, dass er dies nur täte, wenn sie ihn dazu einlud, wusste sie nicht, ob sie ihm trauen sollte. Sie war sich nicht sicher, ob sie all seine Fähigkeiten überhaupt kennen wollte.
Noch nicht. Vielleicht auch niemals.
Dem war sie nicht gewachsen. Sie war ganz einfach nicht bereit dazu, dass jemand all ihre Gedanken kannte. Manchmal war sie auch
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