Der lächelnde Henker
Nickend gab ich Glenda die Antwort. Ich wußte auch schon, an wen ich mich zu wenden hatte. »Verlange Konstabler Archer«, rief ich ihr nach. »Ich hoffe, daß er noch da ist.«
Suko sprach mich an. »Du nimmst die Sache sehr ernst, John?«
»Ja.« Ich zündete mir eine Zigarette an und blies den Rauch der Decke entgegen. »Würdest du das nicht?«
»Doch.«
»Dann können wir nur hoffen, daß es ein Scherzbold gewesen ist«, sagte mein Partner.
Ich hob die Schultern. Das war ein frommer Wunsch, den ich nicht so recht glauben konnte. Ich hatte vielmehr eine schlimme Befürchtung und spürte es kalt meinen Rücken hinablaufen. Obwohl die Verbindung mit Schottland noch nicht zustande gekommen war, glaubte ich dennoch, daß sich meine schlimmen Ahnungen bestätigen würden. Dann klingelte das Telefon. Als ich den Hörer nahm und mich meldete, sah ich in Sukos gespanntes Gesicht. Den Ausdruck darin kannte ich, auch ihn hatte das Jagdfieber gepackt. Die Verbindung nach Schottland war nicht besonders. Vielleicht stand ein Whiskyfaß auf der Leitung, ich mußte laut sprechen, dann hörte ich die Stimme des Konstablers.
»Mr. Sinclair, Sie sind es.«
»Können Sie nicht lauter sprechen?«
»Ja, Sir. Haben Sie unseren Brief bekommen?«
»Vor einigen Minuten. Stimmt es, was darin geschrieben steht?«
»Wort für Wort. Das Beil ist gestohlen worden, und jemand hat auch den Henker gesehen.«
»Den schwarzen Henker?«
»Wir nehmen es an.«
Ich krauste die Stirn. »Hundertprozentig sicher sind Sie jedoch nicht, oder?«
»Wer sollte es denn sonst an sich genommen haben?« kam die Rückfrage.
»Ein makabrer Scherz kommt demnach nicht in Frage?« Ich blieb bei meinen Zweifeln.
»Ich glaube kaum, daß jemand im Dorf damit scherzen würde. Dazu war der Fall zu grausam.«
Da hatte er zweifelsohne recht. Was der schwarze Henker sich geleistet hatte, war furchtbar.
»Werden Sie denn herkommen, Sir, und den schwarzen Henker jagen?«
Auf diese Frage hatte ich gewartet. Meine Antwort kam nicht spontan, ich wußte es tatsächlich nicht, ob ich mich auf den Weg nach Pitlochry machen sollte.
»Sir?«
»Mal sehen«, erwiderte ich. »Er ist ja bisher nur von einem Zeugen gesehen worden.«
»Ja, ein junger Bursche namens Ian. Er wollte sich einen Scherz erlauben und das Beil stehlen…«
»Ich las es im Brief, und das machte mich stutzig. Es könnte sich doch um einen Streich seiner Zechkumpanen gehandelt haben. Zudem war es neblig, da konnte der junge Mann sowieso kaum etwas erkennen. Im Nebel sieht man schon leicht Gespenster, wie Sie sicherlich wissen.«
Der Konstabler schwieg.
Ich machte einen Vorschlag. »Sollte der Henker noch einmal auftauchen, dann sagen Sie mir bitte Bescheid.«
»Falls es dann nicht zu spät ist, Sir.«
Verdammt, der Konstabler konnte sehr gut an mein schlechtes Gewissen appellieren. Ich steckte tatsächlich in einer Zwickmühle. Schlug der schwarze Henker zu, und es gab einen Toten, würde ich meines Lebens nicht mehr froh werden. »Sie haben mich überzeugt, Konstabler. Ich werde kommen und mir die Sache einmal anschauen. Hoffen wir, daß ich die Fahrt umsonst mache und es nur ein Scherz war.«
»Das gebe Gott.«
Ich verabschiedete mich noch und legte den Hörer auf. Gedankenvoll strich ich mir mit zwei Fingern über die Stirn.
Suko meinte: »Du willst also fahren, John.«
»Ja. Hättest du an meiner Stelle anders gehandelt?«
»Auf keinen Fall. Wenn wirklich etwas passiert wäre, würde ich mir mein Leben lang Vorwürfe machen.«
»So denke ich auch.«
»Soll ich mit?«
Ich schüttelte den Kopf. »Weshalb?«
»Zwei sind immerhin stärker als einer.«
»Wenn das Ganze eine Ente sein sollte, sind wir hier aus London abgezogen. Halte du mal lieber die Stellung. Ich düse schon allein da hoch. Der Bentley muß mal wieder gekitzelt werden.« Ich stand auf.
»Und jetzt gehe ich zum Alten und erkläre ihm meine Reise.«
»Ich drücke dir die Daumen.«
»Wenn Sir James einen gesunden Menschenverstand besitzt, kann er gar nicht dagegen sein. Ich glaube auch nicht, daß er mich von dieser Reise abhalten will.«
Der Ansicht war Suko ebenfalls.
Mit dem Superintendenten führte ich ein intensives Gespräch. Ich brauchte ihn nicht erst groß davon zu überzeugen, welch eine Gefahr Moro darstellte. Er hatte es selbst erlebt, wie es ist, wenn der Geist eines Dämons in einen menschlichen Körper hineinschlüpft.
»Ich will keine zweite Jane Collins«, sagte Sir James. Mit diesem Satz hatte
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