Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
gewachsen ist. Er lässt sich rascher beschneiden und formen, wie man ihn haben will. Aber irgendwie kommt es einem nicht richtig vor. Außerdem dauert es lange, einen geeigneten Baum zu finden, und dann muss man auch noch den Grundbesitzer fragen, selbst wenn es sich nur um ein kleines, verwachsenes Bäumchen handelt.« Ulf Holtz nutzte jede Gelegenheit, von seinen Bäumen zu sprechen, und hatte dabei immer etwas Oberlehrerhaftes.
»Kannst du dir nicht einfach einen fertigen Bonsai kaufen? Die kriegt man inzwischen überall für ein paar hundert Kronen. Dann geht das alles im Handumdrehen«, meinte Eva.
Er ignorierte ihre Frage.
»In der Küche ist der Salat. Der Rotwein steht auf der Spüle. Ihr könnt doch holen, was noch fehlt, dann passe ich auf den Grill auf«, meinte er und zog sich einen der Gartenstühle heran.
Er setzte sich, legte die Füße auf einen niedrigen Tisch und streckte die Hand nach der Bierkiste aus.
»Hopp, hopp, damit der alte, müde Vater seine Beine ausstrecken kann.«
Die beiden Frauen verdrehten die Augen und gingen in die Küche, um die übrigen Sachen nach draußen zu bringen. Es ging auf neun Uhr zu, und alle hatten Hunger. Da die Frühsommersonne schon fast ganz untergegangen war, zog Ulf Holtz seine Windjacke enger um sich.
»Könnt ihr noch ein paar Decken aus der Truhe in der Diele mitnehmen?«, rief er.
Sie hatten gegessen, und Ulf Holtz merkte, dass ihm der Alkohol zu Kopf stieg.
»Wie geht es dir eigentlich, Papa?«, fragte Linda. »Ich meine, bei der Arbeit.«
»Wie immer, ein ewiges Auf und Ab.« Manchmal hatte er das Bedürfnis, seine Überlegungen mit Außenstehenden zu diskutieren, und da seine Töchter diejenigen waren, auf die er sich am meisten verließ, kam es vor, dass er sich mit ihnen vollkommen reglementwidrig über seine Fälle unterhielt.
»Ich habe von dieser ermordeten jungen Frau gelesen. Schlimm, dass man mitten in der Stadt erschlagen werden kann«, meinte Eva.
»Sie wurde nicht erschlagen, sondern erschossen. Möglicherweise von einem Scharfschützen«, erwiderte Holtz.
»Einem Scharfschützen?«
»Einem Scharfschützen?«
Sie sprachen fast gleichzeitig, die eine fassungslos, die andere neugierig.
»Es sieht ganz danach aus«, meinte Ulf Holtz und vollführte eine abwehrende Handbewegung. Er wollte nicht da rüber sprechen, jedenfalls noch nicht, und seine Töchter wussten, dass es keinen Sinn hatte weiterzufragen. Wenn ihm danach war, würde er schon mehr erzählen.
»Und bei euch? Irgendwelche neuen Männer?«
Das freie Leben seiner Töchter hatte Holtz immer fasziniert, gelegentlich erfüllte es ihn auch mit Besorgnis. Keine Bindungen, keine Familie, die Ansprüche stellte. Natürlich hatte es Männer gegeben, aber es war irgendwie nie etwas Richtiges daraus geworden. Linda kam sich bei dem bloßen Gedanken, ihr Leben mit jemandem zu teilen und Kompromisse eingehen zu müssen, eingesperrt vor. Und Eva nahm ihre Arbeit stark in Anspruch. Das behauptete sie jedenfalls.
Beide ignorierten die Frage. Ihr Vater wechselte das Thema.
»Irgendwelche Reisepläne?«
»Ich habe einen Flug am Freitag, jemand, der nach Tschetschenien abgeschoben wird. Er hat seine Strafe abgesessen und wird jetzt ausgewiesen. Er hat acht Jahre für Rauschgiftvergehen gekriegt. Wir fahren ihn von der Vollzugsanstalt direkt zum Flugplatz. One way ticket«, meinte Eva. »Also für ihn.«
»Und du?« Er wandte sich an Linda.
»Ich weiß nicht. Ich wollte nach Guatemala, aber … manchmal glaube ich, dass das alles keinen Sinn hat. In Guatemala City soll ein neues Zentrum zur Wahrung der Menschenrechte entstehen, und eigentlich wäre ich an der Reihe, ich habe mich aber noch nicht entschieden.«
»Ist das so gefährlich, wie es klingt?«, fragte er.
»Gefährlich ist zu viel gesagt. Ich weiß nicht. Bislang ist noch keinem von uns irgendetwas Ernstes zugestoßen …« Sie verstummte, und Ulf Holtz wollte nicht weiterbohren. Er hatte Angst, dass seine Sorge und Unruhe einen gegenteiligen Effekt haben würden. Mit etwas Glück würde sie nicht fahren, aber das konnte sie nur selbst entscheiden, das wusste er.
Nachdem seine Töchter gegangen waren, saß er noch eine Weile allein im Garten. Dann ging er ins Haus, schloss die Tür ab und setzte sich mit einem Buch, das ihm Eva geschenkt hatte, aufs Sofa im Wohnzimmer. Er kam mit dem Buch irgendwie nicht voran, er begriff nicht, wovon es handelte, obwohl er mehrmals den Klappentext las. Schließlich gab er auf und legte
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