Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
verborgene Schönheit und sein Potential entdeckt hätte. Er hatte ihn einige Male umgepflanzt und die Wurzeln beschnitten. Außerdem hatte er Äste und Stamm umwickelt und kupiert. All dies hatte den Baum vollkommen verändert. Er war noch sehr unfertig, aber schon jetzt ein schöner Bonsai. Eigentlich war der Frühsommer die falsche Jahreszeit, um das Laub zu entfernen, aber der Baum war in den letzten Monaten in der Wärme des Hauses und unter einer Speziallampe wieder kräftig gewachsen, und Holtz konnte es einfach nicht bleiben lassen. Er drehte den Topf noch einige Male hin und her und betrachtete die Pflanze von allen Seiten. Dann stellte er sie an ihren Platz zurück.
»Eigentlich müsste ich dich umtopfen, aber damit warte ich bis zum Herbst«, sagte er laut.
Ulf Holtz schaltete den Wasserkocher ein und zog dann sein vollgeschriebenes weißes Blatt Papier aus dem modernen Hartschalenrucksack. Er könne auf diesem Rucksack sogar sitzen, hatte ihm der Verkäufer versichert. Holtz hatte es noch nicht ausprobiert.
Er legte das Blatt vor sich auf den Küchentisch und dachte über die Ereignisse der letzten Tage nach. Mit dem Zeigefinger folgte er einer roten Linie, ohne darüber nachzudenken, was er eigentlich tat. Der Finger verweilte auf »Citymord«, bewegte sich dann weiter zu »Tunnelmord« und tippte vorsichtig auf dieses Wort.
Holtz griff zu einer Schachtel Wachsmalkreiden und wählte eine dunkelgrüne, noch unbenutzte. Sie war einigermaßen spitz, so spitz eben, wie Wachsmalkreiden zu sein pflegen. Mit kleinen Buchstaben schrieb er das Wort »Graffitimaler« neben den Kasten mit dem Wort »Tunnelmord«. Dann schrieb er mit derselben Wachsmalkreide »Studentin« neben den Kasten mit dem Wort »Citymord«.
Er folgte einfach seinem Gefühl, auch wenn nichts darauf hindeutete, dass diese beiden Worte irgendwie von Bedeutung für die Morde oder ihre Aufklärung sein könnten. Es waren die einzigen Ausdrücke, die ihm zur Beschreibung der Opfer einfielen.
»Irgendetwas verbindet die zwei, die Frage ist nur, was?«, sagte er laut und wollte schon »Graffitimaler« und »Studentin« durch einen Strich verbinden, entschied sich dann aber, damit noch zu warten.
Sowohl die Ermittler als auch er hegten den Verdacht, dass es zwischen den beiden Opfern eine Verbindung gab, worin diese bestand, wusste jedoch bislang niemand. Zwischen den beiden Verstorbenen schien es keine Berührungspunkte zu geben. Holtz wusste aber, dass Lebenswege nie geradlinig verliefen, sondern die merkwürdigsten Kurven vollführten. Irgendwo konnten sich die Wege Jenny Svenssons und Peter Konstantinos also gekreuzt haben.
Durch den Tunnelmord hatte sich das Tempo der Ermittlung erheblich erhöht.
Man hatte die Anstrengungen allerdings bereits intensiviert, sobald klar gewesen war, dass Tobias nicht der Mörder sein konnte. Knut Sahlén hatte widerwillig nachgegeben, als der Staatsanwalt Mauritz Höög beschlossen hatte, Tobias freizulassen und dafür zu sorgen, dass er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Von Festnahme war nicht mehr die Rede gewesen und noch viel weniger davon, ihn zu inhaftieren. Stattdessen hatte der Staatsanwalt damit gedroht, Holtz anzuzeigen, da er ihm nicht sofort mitgeteilt hatte, dass das Video Tobias’ Unschuld bewies. Holtz hatte sich damit verteidigt, dass er vollkommen übernächtigt gewesen sei und seine Erkenntnisse auch gleich am Morgen weitergegeben habe. Aber er hatte eigentlich keine plausible Entschuldigung gehabt.
Das Video hatte in aller Deutlichkeit gezeigt, dass Tobias Jenny Svensson unmöglich ermordet haben konnte. Das Blut auf seinem Pullover stammte zwar von Jenny, aber das war nicht weiter merkwürdig, da Tobias ihre Leiche an sich gedrückt hatte. Sein verstörter Blick auf dem Video verriet auch, warum er geflüchtet war. Er hatte sie fallen lassen, war aus dem Becken gesprungen und davongerannt. Panisch hatte er ihre Kleider aufgehoben. Warum, konnte er nicht recht erklären. Man hatte die Sachen in einem Raum für Mülltonnen etwa einen Kilometer vom Tatort entfernt gefunden. Die Ermittler brauchten einige Zeit, diesen Raum ausfindig zu machen, da Tobias’ Beschreibung etwas diffus war. Als sie ihn jedoch entdeckten, konnten sie dort auch einige Fingerabdrücke sichern, die seine Geschichte bestätigten.
Ich muss mich auf den Täter konzentrieren, dachte Holtz und suchte mit dem Blick das Wort »Mörder« auf dem weißen Blatt. Er hatte es mit einem dunkelblauen Stift geschrieben.
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