Der lächelnde Mörder - Gyllander, V: Der lächelnde Mörder - Somliga linor brister
Levin abgegeben. Der Schuss auf Jenny Svensson war vermutlich von der Mauer oder aus noch größerem Abstand zum Brunnen abgefeuert worden. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen und Schwächen und logische Mängel zu finden.
Ein einziger Schuss konnte nur bedeuten, dass der Schütze entweder sehr viel Geschick oder sehr viel Glück gehabt hatte. Oder Pech. Es konnte sich schließlich auch um einen Unfall handeln, obwohl das ziemlich unwahrscheinlich war. Der Verkehr beschleunigte sich. Er legte einen höheren Gang ein und warf einen nervösen Blick auf die Temperaturanzeige. Die Nadel näherte sich gefährlich dem roten Bereich. Wenn der Kühler jetzt bloß nicht zu kochen anfing.
Wenn der Schütze einen Menschen auf fast vierhundert Meter Entfernung mit einem einzigen Schuss erschießen kann … was bedeutet das dann? Und wieso ging er ein solches Risiko ein, wenn er sein Opfer auch aus der Nähe erschießen konnte? Zwischen der toten jungen Frau und dem Ort, an dem der Täter vermutlich gestanden hatte, gab es keine Hindernisse, der Schütze hätte auch näher herangehen können, dachte Holtz.
Je größer der Abstand zwischen Mörder und Opfer, desto einfacher ist das Entkommen. Keine Zeugen, keine Spuren, nichts. Das lässt allerdings nur den Schluss zu, dass er noch weiter weg gewesen sein kann. Ist es überhaupt möglich, auf noch größeren Abstand zu treffen? Kannte der Mörder die junge Frau, oder war der Schuss ein Zufall? Was konnte er für ein Motiv gehabt haben?
Holtz wusste, dass sein Unterbewusstsein auf Hochtouren arbeiten würde, wenn er nur genügend Fragen stellte. Die Antworten würden sich einstellen, wenn er am wenigsten damit rechnete. Das war immer so, fast immer.
Es ging schneller, das Fahrzeug vor ihm hatte bereits einen ordentlichen Vorsprung. Er legte den dritten Gang ein und schaltete dann direkt in den fünften hoch. Der Stau war plötzlich verschwunden, nichts deutete auf einen Unfall hin. Staus, eines der Geheimnisse des Lebens, dachte Holtz und stellte dankbar fest, dass die Nadel der Temperaturanzeige rasch auf ein beruhigendes Niveau sank.
Auf der Brücke musste er bremsen, obwohl sich ein Lastwagen hinter ihm befand, der ihn dazu nötigen wollte, entweder Gas zu geben oder die Spur zu wechseln. Holtz ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und trat ein paar Mal rasch auf das Bremspedal, um zu bedeuten, bleib mir vom Pelz. Das führte nur dazu, dass der Lastwagenfahrer wütend aufblendete. Unter ihm lag die Stadt in einem hellroten Schimmer. Die Sonne ging unter. Er trat aufs Gas und ließ den übellaunigen Lastwagenfahrer weit hinter sich, während er geistesabwesend die Hand ausstreckte, um das Radio einzuschalten. Er hielt inne, als ihm einfiel, dass ihn nur ein Rauschen erwarten würde. Beide Hände fest auf dem Lenkrad fuhr er in Stille nach Hause.
Die Reihe von Häusern an der schmalen Straße erinnerte an eine andere Zeit, die Zeit des sogenannten Volksheims.
Eigenheime für alle.
Das war damals gewesen. Jetzt wohnten ganz andere Leute in diesen Häusern und zwar solche, die es sich leisten konnten. Nur in ein paar wenigen wohnten noch die ursprünglichen Besitzer. Die vielen frischrenovierten Gebäude deuteten darauf hin, dass der Generationswechsel beinahe abgeschlossen war. Die Häuser, die einmal fast identisch gewesen waren, zeichneten sich jetzt durch Individualismus aus.
Aber nicht alle. Holtz liebte sein Haus, es war weißverputzt mit klaren Linien und hatte nach einer Renovierung durch den vorherigen Besitzer sein ursprüngliches Aussehen wiedererhalten. Ob man wohl für tote Dinge so etwas wie Liebe empfinden kann?, hatte Holtz sich vor einigen Jahren gefragt, als er das Haus besichtigt hatte. Es war teuer gewesen, aber nicht zu teuer. Er konnte es sich leisten, und es bot außerdem genug Platz, falls die Mädchen ihn besuchen wollten, was zu seiner Überraschung tatsächlich der Fall war. Außerdem war das Haus in Anbetracht der steigenden Immobilienpreise eine gute Investition gewesen. Aber das war eine eher theoretische Erwägung, da er vorhatte, so lange in dem Haus zu bleiben, wie er sich auf den Beinen halten oder noch selbst entscheiden konnte.
Er bog auf seinen Parkplatz ein, schaltete den Motor aus und blieb am Lenkrad sitzen. Die Stille war ein Genuss, und er hatte seinen Durst fast vergessen.
»Und? Woran denken Sie?«
Die Stimme klang entfernt. Sie wurde durch das Glas gedämpft. Holtz drückte auf den Knopf des Fensterhebers, um die Scheibe
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